ren bekam. Er war der Meinung gewesen, da? dem Vater von jenem Gesch?ft her nicht das Geringste ?briggeblieben war, zumindest hatte ihm der Vater nichts Gegenteiliges gesagt, und Gregor allerdings hatte ihn auch nicht darum gefragt. Gregors Sorge war damals nur gewesen, alles daranzusetzen, um die Familie das gesch?ftliche Ungl?ck, das alle in eine vollst?ndige Hoffnungslosigkeit gebracht hatte, m?glichst rasch vergessen zu lassen. Und so hatte er damals mit ganz besonderem Feuer zu arbeiten angefangen und war fast ?ber Nacht aus einem kleinen Kommis ein Reisender geworden, der nat?rlich ganz andere M?glichkeiten des Geldverdienens hatte, und dessen Arbeitserfolge sich sofort in Form der Provision zu Bargeld verwandelten, das der erstaunten und begl?ckten Familie zu Hause auf den Tisch gelegt werden konnte. Es waren sch?ne Zeiten gewesen, und niemals nachher hatten sie sich, wenigstens in diesem Glanze, wiederholt, trotzdem Gregor sp?ter so viel Geld verdiente, da? er den Aufwand der ganzen Familie zu tragen imstande war und auch trug. Man hatte sich eben daran gew?hnt, sowohl die Familie, als auch Gregor, man nahm das Geld dankbar an, er lieferte es gern ab, aber eine besondere W?rme wollte sich nicht mehr ergeben. Nur die Schwester war Gregor doch noch nahe geblieben, und es war sein geheimer Plan, sie, die zum Unterschied von Gregor Musik sehr liebte und r?hrend Violine zu spielen verstand, n?chstes Jahr, ohne R?cksicht auf die gro?en Kosten, die das verursachen mu?te, und die man schon auf andere Weise hereinbringen w?rde, auf das Konservatorium zu schicken. ?fters w?hrend der kurzen Aufenthalte Gregors in der Stadt wurde in den Gespr?chen mit der Schwester das Konservatorium erw?hnt, aber immer nur als sch?ner Traum, an dessen Verwirklichung nicht zu denken war, und die Eltern h?rten nicht einmal diese unschuldigen Erw?hnungen gern; aber Gregor dachte sehr bestimmt daran und beabsichtigte, es am Weihnachtsabend feierlich zu erkl?ren.
Solche in seinem gegenw?rtigen Zustand ganz nutzlose Gedanken gingen ihm durch den Kopf, w?hrend er dort aufrecht an der T?re klebte und horchte. Manchmal konnte er vor allgemeiner M?digkeit gar nicht mehr zuh?ren und lie? den Kopf nachl?ssig gegen die T?r schlagen, hielt ihn aber sofort wieder fest, denn selbst das kleine Ger?usch, das er damit verursacht hatte, war nebenan geh?rt worden und hatte alle verstummen lassen. »Was er nur wieder treibt«, sagte der Vater nach einer Weile, offenbar zur T?re hingewendet, und dann erst wurde das unterbrochene Gespr?ch allm?hlich wieder aufgenommen.
Gregor erfuhr nun zur Gen?ge – denn der Vater pflegte sich in seinen Erkl?rungen ?fters zu wiederholen, teils, weil er selbst sich mit diesen Dingen schon lange nicht besch?ftigt hatte, teils auch, weil die Mutter nicht alles gleich beim ersten Mal verstand – , da? trotz allen Ungl?cks ein allerdings ganz kleines Verm?gen aus der alten Zeit noch vorhanden war, das die nicht anger?hrten Zinsen in der Zwischenzeit ein wenig hatten anwachsen lassen. Au?erdem aber war das Geld, das Gregor allmonatlich nach Hause gebracht hatte – er selbst hatte nur ein paar Gulden f?r sich behalten – , nicht vollst?ndig aufgebraucht worden und hatte sich zu einem kleinen Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner T?re, nickte eifrig, erfreut ?ber diese unerwartete Vorsicht und Sparsamkeit. Eigentlich h?tte er ja mit diesen ?bersch?ssigen Geldern die Schuld des Vaters gegen?ber dem Chef weiter abgetragen haben k?nnen, und jener Tag, an dem er diesen Posten h?tte loswerden k?nnen, w?re weit n?her gewesen, aber jetzt war es zweifellos besser so, wie es der Vater eingerichtet hatte.
Nun gen?gte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um die Familie etwa von den Zinsen leben zu lassen; es gen?gte vielleicht, um die Familie ein, h?chstens zwei Jahre zu erhalten, mehr war es nicht. Es war also blo? eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen durfte, und die f?r den Notfall zur?ckgelegt werden mu?te; das Geld zum Leben aber mu?te man verdienen. Nun war aber der Vater ein zwar gesunder, aber alter Mann, der schon f?nf Jahre nichts gearbeitet hatte und sich jedenfalls nicht viel zutrauen durfte; er hatte in diesen f?nf Jahren, welche die ersten Ferien seines m?hevollen und doch erfolglosen Lebens waren, viel Fett angesetzt und war dadurch recht schwerf?llig geworden. Und die alte Mutter sollte nun vielleicht Geld verdienen, die an Asthma litt, der eine Wanderung durch die Wohnung schon Anstrengung verursachte, und die jeden zweiten Tag in Atembeschwerden auf dem Sopha beim offenen Fenster verbrachte? Und die Schwester sollte Geld verdienen, die noch ein Kind war mit ihren siebzehn Jahren, und der ihre bisherige Lebensweise so sehr zu g?nnen war, die daraus bestanden hatte, sich nett zu kleiden, lange zu schlafen, in der Wirtschaft mitzuhelfen, an ein paar bescheidenen Vergn?gungen sich zu beteiligen und vor allem Violine zu spielen? Wenn die Rede auf diese Notwendigkeit des Geldverdienens kam, lie? zuerst immer Gregor die T?re los und warf sich auf das neben der T?r befindliche k?hle Ledersofa, denn ihm war ganz hei? vor Besch?mung und Trauer.
Oft lag er dort die ganzen langen N?chte ?ber, schlief keinen Augenblick und scharrte nur stundenlang auf dem Leder. Oder er scheute nicht die gro?e M?he, einen Sessel zum Fenster zu schieben, dann die Fensterbr?stung hinaufzukriechen und, in den Sessel gestemmt, sich ans Fenster zu lehnen, offenbar nur in irgendeiner Erinnerung an das Befreiende, das fr?her f?r ihn darin gelegen war, aus dem Fenster zu schauen. Denn tats?chlich sah er von Tag zu Tag die auch nur ein wenig entfernten Dinge immer undeutlicher; das gegen?berliegende Krankenhaus, dessen nur allzu h?ufigen Anblick er fr?her verflucht hatte, bekam er ?berhaupt nicht mehr zu Gesicht, und wenn er nicht genau gewu?t h?tte, da? er in der stillen, aber v?llig st?dtischen Charlottenstra?e wohnte, h?tte er glauben k?nnen, von seinem Fenster aus in eine Ein?de zu schauen, in welcher der graue Himmel und die graue Erde ununterscheidbar sich vereinigten. Nur zweimal hatte die aufmerksame Schwester sehen m?ssen, da? der Sessel beim Fenster stand, als sie schon jedesmal, nachdem sie das Zimmer aufger?umt hatte, den Sessel wieder genau zum Fenster hinschob, ja sogar von nun ab den inneren Fensterfl?gel offen lie?.
H?tte Gregor nur mit der Schwester sprechen und ihr f?r alles danken k?nnen, was sie f?r ihn machen mu?te, er h?tte ihre Dienste leichter ertragen; so aber litt er darunter. Die Schwester suchte freilich die Peinlichkeit des Ganzen m?glichst zu verwischen, und je l?ngere Zeit verging, desto besser gelang es ihr nat?rlich auch, aber auch Gregor durchschaute mit der Zeit alles viel genauer. Schon ihr Eintritt war f?r ihn schrecklich. Kaum war sie eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu nehmen, die T?re zu schlie?en, so sehr sie sonst darauf achtete, jedem den Anblick von Gregors Zimmer zu ersparen, geradewegs zum Fenster und ri? es, als ersticke sie fast, mit hastigen H?nden auf, blieb auch, selbst wenn es noch so kalt war, ein Weilchen beim Fenster und atmete tief. Mit diesem Laufen und L?rmen erschreckte sie Gregor t?glich zweimal; die ganze Zeit ?ber zitterte er unter dem Kanapee und wu?te doch sehr gut, da? sie ihn gewi? gerne damit verschont h?tte, wenn es ihr nur m?glich gewesen w?re, sich in einem Zimmer, in dem sich Gregor befand, bei geschlossenem Fenster aufzuhalten.
Einmal, es war wohl schon ein Monat seit Gregors Verwandlung vergangen, und es war doch schon f?r die Schwester kein besonderer Grund mehr, ?ber Gregors Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig fr?her als sonst und traf Gregor noch an, wie er, unbeweglich und so recht zum Erschrecken aufgestellt, aus dem Fenster schaute. Es w?re f?r Gregor nicht unerwartet gewesen, wenn sie nicht eingetreten w?re, da er sie durch seine Stellung verhinderte, sofort das Fenster zu ?ffnen, aber sie trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar zur?ck und schlo? die T?r; ein Fremder h?tte geradezu denken k?nnen, Gregor habe ihr aufgelauert und habe sie bei?en wollen. Gregor versteckte sich nat?rlich sofort unter dem Kanapee, aber er mu?te bis zum Mittag warten, ehe die Schwester wiederkam, und sie schien viel unruhiger als sonst. Er erkannte daraus, da? ihr sein Anblick noch immer unertr?glich war und ihr auch weiterhin unertr?glich bleiben m?sse, und da? sie sich wohl sehr ?berwinden mu?te, vor dem Anblick auch nur der kleinen Partie seines K?rpers nicht davonzulaufen, mit der er unter dem Kanapee hervorragte. Um ihr auch diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages auf seinem R?cken – er brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden – das Leintuch auf das Kanapee und ordnete es in einer solchen Weise an, da? er nun g?nzlich verdeckt war, und da? die Schwester, selbst wenn sie sich b?ckte, ihn nicht sehen konnte. W?re dieses Leintuch ihrer Meinung nach nicht n?tig gewesen, dann h?tte sie es ja entfernen k?nnen, denn da? es nicht zum Vergn?gen Gregors geh?ren konnte, sich so ganz und gar abzusperren, war doch klar genug, aber sie lie? das Leintuch, so wie es war, und Gregor glaubte sogar einen dankbaren Blick erhascht zu haben, als er einmal mit dem Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig l?ftete, um nachzusehen, wie die Schwester die neue Einrichtung aufnahm.
In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht ?ber sich bringen, zu ihm hereinzukommen, und er h?rte oft, wie sie die jetzige Arbeit der Schwester v?llig erkannten, w?hrend sie sich bisher h?ufig ?ber die Schwester ge?rgert hatten, weil sie ihnen als ein etwas nutzloses M?dchen erschienen war. Nun aber warteten oft beide, der Vater und die Mutter, vor Gregors Zimmer, w?hrend die Schwester dort aufr?umte, und kaum war sie herausgekommen, mu?te sie ganz genau erz?hlen, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er sich diesmal benommen hatte, und ob vielleicht eine kleine Besserung zu bemerken war. Die Mutter ?brigens wollte verh?ltnism??ig bald Gregor besuchen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zuerst mit Vernunftgr?nden zur?ck, denen Gregor sehr aufmerksam zuh?rte, und die er vollst?ndig billigte. Sp?ter aber mu?te man sie mit Gewalt zur?ckhalten, und wenn sie dann rief: »La?t mich doch zu Gregor, er ist ja mein ungl?cklicher Sohn! Begreift ihr es denn nicht, da? ich zu ihm mu??«, dann dachte Gregor, da? es vielleicht doch gut w?re, wenn die Mutter hereink?me, nicht jeden Tag nat?rlich, aber vielleicht einmal in der Woche; sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die trotz all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht nur aus kindlichem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe ?bernommen hatte.
Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in Erf?llung. W?hrend des Tages wollte Gregor schon aus R?cksicht auf seine Eltern sich nicht beim Fenster zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar Quadratmetern des Fu?bodens auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug er schon w?hrend der Nacht schwer, das Essen machte ihm bald nicht mehr das geringste Vergn?gen, und so nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und quer ?ber W?nde und Plafond zu kriechen. Besonders oben auf der Decke hing er gern; es war ganz anders, als das Liegen auf dem Fu?boden; man atmete freier; ein leichtes Schwingen ging durch den K?rper; und in der fast gl?cklichen Zerstreutheit, in der sich Gregor dort oben befand, konnte es geschehen, da? er zu seiner eigenen ?berraschung sich loslie? und auf den Boden klatschte. Aber nun hatte er nat?rlich seinen K?rper ganz anders in der Gewalt als fr?her und besch?digte sich selbst bei einem so gro?en Falle nicht. Die Schwester nun bemerkte sofort die neue Unterhaltung, die Gregor f?r sich gefunden hatte – er hinterlie? ja auch beim Kriechen hie und da Spuren seines Klebstoffes – , und da setzte sie es sich in den Kopf, Gregor das Kriechen in gr??tem Ausma?e zu erm?glichen und die M?bel, die es verhinderten, also vor allem den Kasten und den Schreibtisch, wegzuschaffen.
Nun war sie aber nicht imstande, dies allein zu tun; den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu bitten; das Dienstm?dchen h?tte ihr ganz gewi? nicht geholfen, denn dieses etwa sechzehnj?hrige M?dchen harrte zwar tapfer seit Entlassung der fr?heren K?chin aus, hatte aber um die Verg?nstigung gebeten, die K?che unaufh?rlich versperrt halten zu d?rfen und nur auf besonderen Anruf ?ffnen zu m?ssen; so blieb der Schwester also nichts ?brig, als einmal in Abwesenheit des Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen erregter Freude kam die Mutter auch heran, verstummte aber an der T?r vor Gregors Zimmer. Zuerst sah nat?rlich die Schwester nach, ob alles im Zimmer in Ordnung war; dann erst lie? sie die Mutter eintreten. Gregor hatte in gr??ter Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zuf?llig ?ber das Kanapee geworfenes Leintuch aus. Gregor unterlie? auch diesmal, unter dem Leintuch zu spionieren; er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal zu sehen, und war nur froh, da?
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Solche in seinem gegenw?rtigen Zustand ganz nutzlose Gedanken gingen ihm durch den Kopf, w?hrend er dort aufrecht an der T?re klebte und horchte. Manchmal konnte er vor allgemeiner M?digkeit gar nicht mehr zuh?ren und lie? den Kopf nachl?ssig gegen die T?r schlagen, hielt ihn aber sofort wieder fest, denn selbst das kleine Ger?usch, das er damit verursacht hatte, war nebenan geh?rt worden und hatte alle verstummen lassen. »Was er nur wieder treibt«, sagte der Vater nach einer Weile, offenbar zur T?re hingewendet, und dann erst wurde das unterbrochene Gespr?ch allm?hlich wieder aufgenommen.
Gregor erfuhr nun zur Gen?ge – denn der Vater pflegte sich in seinen Erkl?rungen ?fters zu wiederholen, teils, weil er selbst sich mit diesen Dingen schon lange nicht besch?ftigt hatte, teils auch, weil die Mutter nicht alles gleich beim ersten Mal verstand – , da? trotz allen Ungl?cks ein allerdings ganz kleines Verm?gen aus der alten Zeit noch vorhanden war, das die nicht anger?hrten Zinsen in der Zwischenzeit ein wenig hatten anwachsen lassen. Au?erdem aber war das Geld, das Gregor allmonatlich nach Hause gebracht hatte – er selbst hatte nur ein paar Gulden f?r sich behalten – , nicht vollst?ndig aufgebraucht worden und hatte sich zu einem kleinen Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner T?re, nickte eifrig, erfreut ?ber diese unerwartete Vorsicht und Sparsamkeit. Eigentlich h?tte er ja mit diesen ?bersch?ssigen Geldern die Schuld des Vaters gegen?ber dem Chef weiter abgetragen haben k?nnen, und jener Tag, an dem er diesen Posten h?tte loswerden k?nnen, w?re weit n?her gewesen, aber jetzt war es zweifellos besser so, wie es der Vater eingerichtet hatte.
Nun gen?gte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um die Familie etwa von den Zinsen leben zu lassen; es gen?gte vielleicht, um die Familie ein, h?chstens zwei Jahre zu erhalten, mehr war es nicht. Es war also blo? eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen durfte, und die f?r den Notfall zur?ckgelegt werden mu?te; das Geld zum Leben aber mu?te man verdienen. Nun war aber der Vater ein zwar gesunder, aber alter Mann, der schon f?nf Jahre nichts gearbeitet hatte und sich jedenfalls nicht viel zutrauen durfte; er hatte in diesen f?nf Jahren, welche die ersten Ferien seines m?hevollen und doch erfolglosen Lebens waren, viel Fett angesetzt und war dadurch recht schwerf?llig geworden. Und die alte Mutter sollte nun vielleicht Geld verdienen, die an Asthma litt, der eine Wanderung durch die Wohnung schon Anstrengung verursachte, und die jeden zweiten Tag in Atembeschwerden auf dem Sopha beim offenen Fenster verbrachte? Und die Schwester sollte Geld verdienen, die noch ein Kind war mit ihren siebzehn Jahren, und der ihre bisherige Lebensweise so sehr zu g?nnen war, die daraus bestanden hatte, sich nett zu kleiden, lange zu schlafen, in der Wirtschaft mitzuhelfen, an ein paar bescheidenen Vergn?gungen sich zu beteiligen und vor allem Violine zu spielen? Wenn die Rede auf diese Notwendigkeit des Geldverdienens kam, lie? zuerst immer Gregor die T?re los und warf sich auf das neben der T?r befindliche k?hle Ledersofa, denn ihm war ganz hei? vor Besch?mung und Trauer.
Oft lag er dort die ganzen langen N?chte ?ber, schlief keinen Augenblick und scharrte nur stundenlang auf dem Leder. Oder er scheute nicht die gro?e M?he, einen Sessel zum Fenster zu schieben, dann die Fensterbr?stung hinaufzukriechen und, in den Sessel gestemmt, sich ans Fenster zu lehnen, offenbar nur in irgendeiner Erinnerung an das Befreiende, das fr?her f?r ihn darin gelegen war, aus dem Fenster zu schauen. Denn tats?chlich sah er von Tag zu Tag die auch nur ein wenig entfernten Dinge immer undeutlicher; das gegen?berliegende Krankenhaus, dessen nur allzu h?ufigen Anblick er fr?her verflucht hatte, bekam er ?berhaupt nicht mehr zu Gesicht, und wenn er nicht genau gewu?t h?tte, da? er in der stillen, aber v?llig st?dtischen Charlottenstra?e wohnte, h?tte er glauben k?nnen, von seinem Fenster aus in eine Ein?de zu schauen, in welcher der graue Himmel und die graue Erde ununterscheidbar sich vereinigten. Nur zweimal hatte die aufmerksame Schwester sehen m?ssen, da? der Sessel beim Fenster stand, als sie schon jedesmal, nachdem sie das Zimmer aufger?umt hatte, den Sessel wieder genau zum Fenster hinschob, ja sogar von nun ab den inneren Fensterfl?gel offen lie?.
H?tte Gregor nur mit der Schwester sprechen und ihr f?r alles danken k?nnen, was sie f?r ihn machen mu?te, er h?tte ihre Dienste leichter ertragen; so aber litt er darunter. Die Schwester suchte freilich die Peinlichkeit des Ganzen m?glichst zu verwischen, und je l?ngere Zeit verging, desto besser gelang es ihr nat?rlich auch, aber auch Gregor durchschaute mit der Zeit alles viel genauer. Schon ihr Eintritt war f?r ihn schrecklich. Kaum war sie eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu nehmen, die T?re zu schlie?en, so sehr sie sonst darauf achtete, jedem den Anblick von Gregors Zimmer zu ersparen, geradewegs zum Fenster und ri? es, als ersticke sie fast, mit hastigen H?nden auf, blieb auch, selbst wenn es noch so kalt war, ein Weilchen beim Fenster und atmete tief. Mit diesem Laufen und L?rmen erschreckte sie Gregor t?glich zweimal; die ganze Zeit ?ber zitterte er unter dem Kanapee und wu?te doch sehr gut, da? sie ihn gewi? gerne damit verschont h?tte, wenn es ihr nur m?glich gewesen w?re, sich in einem Zimmer, in dem sich Gregor befand, bei geschlossenem Fenster aufzuhalten.
Einmal, es war wohl schon ein Monat seit Gregors Verwandlung vergangen, und es war doch schon f?r die Schwester kein besonderer Grund mehr, ?ber Gregors Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig fr?her als sonst und traf Gregor noch an, wie er, unbeweglich und so recht zum Erschrecken aufgestellt, aus dem Fenster schaute. Es w?re f?r Gregor nicht unerwartet gewesen, wenn sie nicht eingetreten w?re, da er sie durch seine Stellung verhinderte, sofort das Fenster zu ?ffnen, aber sie trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar zur?ck und schlo? die T?r; ein Fremder h?tte geradezu denken k?nnen, Gregor habe ihr aufgelauert und habe sie bei?en wollen. Gregor versteckte sich nat?rlich sofort unter dem Kanapee, aber er mu?te bis zum Mittag warten, ehe die Schwester wiederkam, und sie schien viel unruhiger als sonst. Er erkannte daraus, da? ihr sein Anblick noch immer unertr?glich war und ihr auch weiterhin unertr?glich bleiben m?sse, und da? sie sich wohl sehr ?berwinden mu?te, vor dem Anblick auch nur der kleinen Partie seines K?rpers nicht davonzulaufen, mit der er unter dem Kanapee hervorragte. Um ihr auch diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages auf seinem R?cken – er brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden – das Leintuch auf das Kanapee und ordnete es in einer solchen Weise an, da? er nun g?nzlich verdeckt war, und da? die Schwester, selbst wenn sie sich b?ckte, ihn nicht sehen konnte. W?re dieses Leintuch ihrer Meinung nach nicht n?tig gewesen, dann h?tte sie es ja entfernen k?nnen, denn da? es nicht zum Vergn?gen Gregors geh?ren konnte, sich so ganz und gar abzusperren, war doch klar genug, aber sie lie? das Leintuch, so wie es war, und Gregor glaubte sogar einen dankbaren Blick erhascht zu haben, als er einmal mit dem Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig l?ftete, um nachzusehen, wie die Schwester die neue Einrichtung aufnahm.
In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht ?ber sich bringen, zu ihm hereinzukommen, und er h?rte oft, wie sie die jetzige Arbeit der Schwester v?llig erkannten, w?hrend sie sich bisher h?ufig ?ber die Schwester ge?rgert hatten, weil sie ihnen als ein etwas nutzloses M?dchen erschienen war. Nun aber warteten oft beide, der Vater und die Mutter, vor Gregors Zimmer, w?hrend die Schwester dort aufr?umte, und kaum war sie herausgekommen, mu?te sie ganz genau erz?hlen, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er sich diesmal benommen hatte, und ob vielleicht eine kleine Besserung zu bemerken war. Die Mutter ?brigens wollte verh?ltnism??ig bald Gregor besuchen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zuerst mit Vernunftgr?nden zur?ck, denen Gregor sehr aufmerksam zuh?rte, und die er vollst?ndig billigte. Sp?ter aber mu?te man sie mit Gewalt zur?ckhalten, und wenn sie dann rief: »La?t mich doch zu Gregor, er ist ja mein ungl?cklicher Sohn! Begreift ihr es denn nicht, da? ich zu ihm mu??«, dann dachte Gregor, da? es vielleicht doch gut w?re, wenn die Mutter hereink?me, nicht jeden Tag nat?rlich, aber vielleicht einmal in der Woche; sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die trotz all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht nur aus kindlichem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe ?bernommen hatte.
Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in Erf?llung. W?hrend des Tages wollte Gregor schon aus R?cksicht auf seine Eltern sich nicht beim Fenster zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar Quadratmetern des Fu?bodens auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug er schon w?hrend der Nacht schwer, das Essen machte ihm bald nicht mehr das geringste Vergn?gen, und so nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und quer ?ber W?nde und Plafond zu kriechen. Besonders oben auf der Decke hing er gern; es war ganz anders, als das Liegen auf dem Fu?boden; man atmete freier; ein leichtes Schwingen ging durch den K?rper; und in der fast gl?cklichen Zerstreutheit, in der sich Gregor dort oben befand, konnte es geschehen, da? er zu seiner eigenen ?berraschung sich loslie? und auf den Boden klatschte. Aber nun hatte er nat?rlich seinen K?rper ganz anders in der Gewalt als fr?her und besch?digte sich selbst bei einem so gro?en Falle nicht. Die Schwester nun bemerkte sofort die neue Unterhaltung, die Gregor f?r sich gefunden hatte – er hinterlie? ja auch beim Kriechen hie und da Spuren seines Klebstoffes – , und da setzte sie es sich in den Kopf, Gregor das Kriechen in gr??tem Ausma?e zu erm?glichen und die M?bel, die es verhinderten, also vor allem den Kasten und den Schreibtisch, wegzuschaffen.
Nun war sie aber nicht imstande, dies allein zu tun; den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu bitten; das Dienstm?dchen h?tte ihr ganz gewi? nicht geholfen, denn dieses etwa sechzehnj?hrige M?dchen harrte zwar tapfer seit Entlassung der fr?heren K?chin aus, hatte aber um die Verg?nstigung gebeten, die K?che unaufh?rlich versperrt halten zu d?rfen und nur auf besonderen Anruf ?ffnen zu m?ssen; so blieb der Schwester also nichts ?brig, als einmal in Abwesenheit des Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen erregter Freude kam die Mutter auch heran, verstummte aber an der T?r vor Gregors Zimmer. Zuerst sah nat?rlich die Schwester nach, ob alles im Zimmer in Ordnung war; dann erst lie? sie die Mutter eintreten. Gregor hatte in gr??ter Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zuf?llig ?ber das Kanapee geworfenes Leintuch aus. Gregor unterlie? auch diesmal, unter dem Leintuch zu spionieren; er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal zu sehen, und war nur froh, da?
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