rgste ?berstanden haben mochte, hatte keinen eigentlichen Abscheu vor Gregor. Ohne irgendwie neugierig zu sein, hatte sie zuf?llig einmal die T?r von Gregors Zimmer aufgemacht und war im Anblick Gregors, der, g?nzlich ?berrascht, trotzdem ihn niemand jagte, hin und herzulaufen begann, die H?nde im Scho? gefaltet staunend stehen geblieben. Seitdem vers?umte sie nicht, stets fl?chtig morgens und abends die T?r ein wenig zu ?ffnen und zu Gregor hineinzuschauen. Anfangs rief sie ihn auch zu sich herbei, mit Worten, die sie wahrscheinlich f?r freundlich hielt, wie »Komm mal her?ber, alter Mistk?fer!« oder »Seht mal den alten Mistk?fer!« Auf solche Ansprachen antwortete Gregor mit nichts, sondern blieb unbeweglich auf seinem Platz, als sei die T?r gar nicht ge?ffnet worden. H?tte man doch dieser Bedienerin, statt sie nach ihrer Laune ihn nutzlos st?ren zu lassen, lieber den Befehl gegeben, sein Zimmer t?glich zu reinigen! Einmal am fr?hen Morgen – ein heftiger Regen, vielleicht schon ein Zeichen des kommenden Fr?hjahrs, schlug an die Scheiben – war Gregor, als die Bedienerin mit ihren Redensarten wieder begann, derartig erbittert, da? er, wie zum Angriff, allerdings langsam und hinf?llig, sich gegen sie wendete. Die Bedienerin aber, statt sich zu f?rchten, hob blo? einen in der N?he der T?r befindlichen Stuhl hoch einpor, und wie sie mit gro? ge?ffnetem Munde dastand, war ihre Absicht klar, den Mund erst zu schlie?en, wenn der Sessel in ihrer Hand auf Gregors R?cken niederschlagen w?rde. »Also weiter geht es nicht?« fragte sie, als Gregor sich wieder umdrehte, und stellte den Sessel ruhig in die Ecke zur?ck.
Gregor a? nun fast gar nichts mehr. Nur wenn er zuf?llig an der vorbereiteten Speise vor?berkam, nahm er zum Spiel einen Bissen in den Mund, hielt ihn dort stundenlang und spie ihn dann meist wieder aus. Zuerst dachte er, es sei die Trauer ?ber den Zustand seines Zimmers, die ihn vom Essen abhalte, aber gerade mit den Ver?nderungen des Zimmers s?hnte er sich sehr bald aus. Man hatte sich angew?hnt, Dinge, die man anderswo nicht unterbringen konnte, in dieses Zimmer hineinzustellen, und solcher Dinge gab es nun viele, da man ein Zimmer der Wohnung an drei Zimmerherren vermietet hatte. Diese ernsten Herren – alle drei hatten Vollb?rte, wie Gregor einmal durch eine T?rspalte feststellte – waren peinlich auf Ordnung, nicht nur in ihrem Ziminer, sondern, da sie sich nun einmal hier eingemietet hatten, in der ganzen Wirtschaft, also insbesondere in der K?che, bedacht. Unn?tzen oder gar schmutzigen Kram ertrugen sie nicht. ?berdies hatten sie zum gr??ten Teil ihre eigenen Einrichtungsst?cke mitgebracht. Aus diesem Grunde waren viele Dinge ?berfl?ssig geworden, die zwar nicht verk?uflich waren, die man aber auch nicht wegwerfen wollte. Alle diese wanderten in Gregors Zimmer. Ebenso auch die Aschenkiste und die Abfallkiste aus der K?che. Was nur im Augenblick unbrauchbar war, schleuderte die Bedienerin, die es immer sehr eilig hatte, einfach in Gregors Zimmer; Gregor sah gl?cklicherweise meist nur den betreffenden Gegenstand und die Hand, die ihn hielt. Die Bedienerin hatte vielleicht die Absicht, bei Zeit und Gelegenheit die Dinge wieder zu holen oder alle insgesamt mit einemmal hinauszuwerfen, tats?chlich aber blieben sie dort liegen, wohin sie durch den ersten Wurf gekommen waren, wenn nicht Gregor sich durch das Rumpelzeug wand und es in Bewegung brachte, zuerst gezwungen, weil kein sonstiger Platz zum Kriechen frei war, sp?ter aber mit wachsendem Vergn?gen, obwohl er nach solchen Wanderungen, zum Sterben m?de und traurig, wieder stundenlang sich nicht r?hrte.
Da die Zimmerherren manchmal auch ihr Abendessen zu Hause im gemeinsamen Wohnzimmer einnahmen, blieb die Wohnzimmert?r an manchen Abenden geschlossen, aber Gregor verzichtete ganz leicht auf das ?ffnen der T?r, hatte er doch schon manche Abende, an denen sie ge?ffnet war, nicht ausgenutzt, sondern war, ohne da? es die Familie merkte, im dunkelsten Winkel seines Zimmers gelegen. Einmal aber hatte die Bedienerin die T?r zum Wohnzimmer ein wenig offen gelassen, und sie blieb so offen, auch als die Zimmerherren am Abend eintraten und Licht gemacht wurde. Sie setzten sich oben an den Tisch, wo in fr?heren Zeiten der Vater, die Mutter und Gregor gegessen hatten, entfalteten die Servietten und nahmen Messer und Gabel in die Hand. Sofort erschien in der T?r die Mutter mit einer Sch?ssel Fleisch und knapp hinter ihr die Schwester mit einer Sch?ssel hochgeschichteter Kartoffeln. Das Essen dampfte mit starkem Rauch. Die Zimmerherren beugten sich ?ber die vor sie hingestellten Sch?sseln, als wollten sie sie vor dem Essen pr?fen, und tats?chlich zerschnitt der, welcher in der Mitte sa? und den anderen zwei als Autorit?t zu gelten schien, ein St?ck Fleisch noch auf der Sch?ssel, offenbar um festzustellen, ob es m?rbe genug sei und ob es nicht etwa in die K?che zur?ckgeschickt werden solle. Er war befriedigt, und Mutter und Schwester, die gespannt zugesehen hatten, begannen aufatmend zu l?cheln.
Die Familie selbst a? in der K?che. Trotzdem kam der Vater, ehe er in die K?che ging, in dieses Zimmer herein und machte mit einer einzigen Verbeugung, die Kappe in der Hand, einen Rundgang um den Tisch. Die Zimmerherren erhoben sich s?mtlich und murmelten etwas in ihre B?rte. Als sie dann allein waren, a?en sie fast unter vollkommenem Stillschweigen. Sonderbar schien es Gregor, da? man aus allen mannigfachen Ger?uschen des Essens immer wieder ihre kauenden Z?hne heraush?rte, als ob damit Gregor gezeigt werden sollte, da? man Z?hne brauche, um zu essen, und da? man auch mit den sch?nsten zahnlosen Kiefern nichts ausrichten k?nne. »Ich habe ja Appetit«, sagte sich Gregor sorgenvoll, »aber nicht auf diese Dinge. Wie sich diese Zimmerherren n?hren, und ich komme um!«
Gerade an diesem Abend – Gregor erinnerte sich nicht, w?hrend der ganzen Zeit die Violine geh?rt zu haben – ert?nte sie von der K?che her. Die Zimmerherren hatten schon ihr Nachtmahl beendet, der mittlere hatte eine Zeitung hervorgezogen, den zwei anderen je ein Blatt gegeben, und nun lasen sie zur?ckgelehnt und rauchten. Als die Violine zu spielen begann, wurden sie aufmerksam, erhoben sich und gingen auf den Fu?spitzen zur Vorzimmert?r, in der sie aneinandergedr?ngt stehen blieben. Man mu?te sie von der K?che aus geh?rt haben, denn der Vater rief: »Ist den Herren das Spiel vielleicht unangenehm? Es kann sofort eingestellt werden.« »Im Gegenteil«, sagte der mittlere der Herren, »m?chte das Fr?ulein nicht zu uns hereinkommen und hier im Zimmer spielen, wo es doch viel bequemer und gem?tlicher ist?« »O bitte«, rief der Vater, als sei er der Violinspieler. Die Herren traten ins Zimmer zur?ck und warteten. Bald kam der Vater mit dem Notenpult, die Mutter mit den Noten und die Schwester mit der Violine. Die Schwester bereitete alles ruhig zum Spiele vor; die Eltern, die niemals fr?her Zimmer vermietet hatten und deshalb die H?flichkeit gegen die Zimmerherren ?bertrieben, wagten gar nicht, sich auf ihre eigenen Sessel zu setzen; der Vater lehnte an der T?r, die rechte Hand zwischen zwei Kn?pfe des geschlossenen Livreerockes gesteckt; die Mutter aber erhielt von einem Herrn einen Sessel angeboten und sa?, da sie den Sessel dort lie?, wohin ihn der Herr zuf?llig gestellt hatte, abseits in einem Winkel.
Die Schwester begann zu spielen; Vater und Mutter verfolgten, jeder von seiner Seite, aufmerksam die Bewegungen ihrer H?nde. Gregor hatte, von dem Spiele angezogen, sich ein wenig weiter vorgewagt und war schon mit dem Kopf im Wohnzimmer. Er wunderte sich kaum dar?ber, da? er in letzter Zeit so wenig R?cksicht auf die andern nahm; fr?her war diese R?cksichtnahme sein Stolz gewesen. Und dabei h?tte er gerade jetzt mehr Grund gehabt, sich zu verstecken, denn infolge des Staubes, der in seinem Zimmer ?berall lag und bei der kleinsten Bewegung umherflog, war auch er ganz staubbedeckt; F?den, Haare, Speise?berreste schleppte er auf seinem R?cken und an den Seiten mit sich herum; seine Gleichg?ltigkeit gegen alles war viel zu gro?, als da? er sich, wie fr?her mehrmals w?hrend des Tages, auf den R?cken gelegt und am Teppich gescheuert h?tte. Und trotz dieses Zustandes hatte er keine Scheu, ein St?ck auf dem makellosen Fu?boden des Wohnzimmers vorzur?cken.
Allerdings achtete auch niemand auf ihn. Die Familie war g?nzlich vom Violinspiel in Anspruch genommen; die Zimmerherren dagegen, die zun?chst, die H?nde in den Hosentaschen, viel zu nahe hinter dem Notenpult der Schwester sich aufgestellt hatten, so da? sie alle in die Noten h?tten sehen k?nnen, was sicher die Schwester st?ren mu?te, zogen sich bald unter halblauten Gespr?chen mit gesenkten K?pfen zum Fenster zur?ck, wo sie, vom Vater besorgt beobachtet, auch blieben. Es hatte nun wirklich den ?berdeutlichen Anschein, als w?ren sie in ihrer Annahme, ein sch?nes oder unterhaltendes Violinspiel zu h?ren, entt?uscht, h?tten die ganze Vorf?hrung satt und lie?en sich nur aus H?flichkeit noch in ihrer Ruhe st?ren. Besonders die Art, wie sie alle aus Nase und Mund den Rauch ihrer Zigarren in die H?he bliesen, lie? auf gro?e Nervosit?t schlie?en. Und doch spielte die Schwester so sch?n. Ihr Gesicht war zur Seite geneigt, pr?fend und traurig folgten ihre Blicke den Notenzeilen. Gregor kroch noch ein St?ck vorw?rts und hielt den Kopf eng an den Boden, um m?glicherweise ihren Blicken begegnen zu k?nnen. War er ein Tier, da ihn Musik so ergriff ? Ihm war, als zeige sich ihm der Weg zu der ersehnten unbekannten Nahrung. Er war entschlossen, bis zur Schwester vorzudringen, sie am Rock zu zupfen und ihr dadurch anzudeuten, sie m?ge doch mit ihrer Violine in sein Zimmer kommen, denn niemand lohnte hier das Spiel so, wie er es lohnen wollte. Er wollte sie nicht mehr aus seinem Zimmer lassen, wenigstens nicht, solange er lebte; seine Schreckgestalt sollte ihm zum erstenmal n?tzlich werden; an allen T?ren seines Zimmers wollte er gleichzeitig sein und den Angreifern entgegenfauchen; die Schwester aber sollte nicht gezwungen, sondern freiwillig bei ihm bleiben; sie sollte neben ihm auf dem Kanapee sitzen, das Ohr zu ihm herunterneigen, und er wollte ihr dann anvertrauen, da? er die feste Absicht gehabt habe, sie auf das Konservatorium zu schicken, und da? er dies, wenn nicht das Ungl?ck dazwischen gekommen w?re, vergangene Weihnachten – Weihnachten war doch wohl schon vor?ber? – allen gesagt h?tte, ohne sich um irgendwelche Widerreden zu k?mmern. Nach dieser Erkl?rung w?rde die Schwester in Tr?nen der R?hrung ausbrechen, und Gregor w?rde sich bis zu ihrer Achsel erheben und ihren Hals k?ssen, den sie, seitdem sie ins Gesch?ft ging, frei ohne Band oder Kragen trug.
»Herr Samsa!« rief der mittlere Herr dem Vater zu und zeigte, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, mit dem Zeigefinger auf den langsam sich vorw?rtsbewegenden Gregor. Die Violine verstummte, der mittlere Zimmerherr l?chelte erst einmal kopfsch?ttelnd seinen Freunden zu und sah dann wieder auf Gregor hin. Der Vater schien es f?r n?tiger zu halten, statt Gregor zu vertreiben, vorerst die Zimmerherren zu beruhigen, trotzdem diese gar nicht aufgeregt waren und Gregor sie mehr als das Violinspiel zu unterhalten schien. Er eilte zu ihnen und suchte sie mit ausgebreiteten Armen in ihr Zimmer zu dr?ngen und gleichzeitig mit seinem K?rper ihnen den Ausblick auf Gregor zu nehmen. Sie wurden nun tats?chlich ein wenig b?se, man wu?te nicht mehr, ob ?ber das Benehmen des Vaters oder ?ber die ihnen jetzt aufgehende Erkenntnis, ohne es zu wissen, einen solchen Zimmernachbar wie Gregor besessen zu haben. Sie verlangten vom Vater Erkl?rungen, hoben ihrerseits die Arme, zupften unruhig an ihren B?rten und wichen nur langsam gegen ihr Zimmer zur?ck. Inzwischen hatte die Schwester die Verlorenheit, in die sie nach dem pl?tzlich abgebrochenen Spiel verfallen war, ?berwunden, hatte sich, nachdem sie eine Zeit lang in den l?ssig h?ngenden H?nden Violine und Bogen gehalten und weiter, als spiele sie noch, in die Noten gesehen hatte, mit einem Male aufgerafft, hatte das Instrument auf den Scho? der Mutter gelegt, die in Atembeschwerden mit heftig arbeitenden Lungen noch auf ihrem Sessel sa?, und war in das Nebenzimmer gelaufen, dem sich die Zimmerherren unter dem Dr?ngen des Vaters schon schneller n?herten. Man sah, wie unter den ge?bten H?nden der Schwester die Decken und Polster in den Betten in die H?he flogen und sich ordneten. Noch ehe die Herren das Zimmer erreicht hatten, war sie mit dem Aufbetten fertig und schl?pfte heraus. Der Vater schien wieder von seinem Eigensinn derartig ergriffen, da? er jeden Respekt verga?, den er seinen Mietern immerhin schuldete. Er dr?ngte nur und dr?ngte, bis schon in der T?r des Zimmers der mittlere der Herren donnernd mit dem Fu? aufstampfte und dadurch den Vater zum Stehen brachte. »Ich erkl?re hiermit«, sagte er, hob die Hand und suchte mit den Blicken auch die Mutter und die Schwester, »da? ich mit R?cksicht auf die in dieser Wohnung und Familie herrschenden widerlichen Verh?
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Gregor a? nun fast gar nichts mehr. Nur wenn er zuf?llig an der vorbereiteten Speise vor?berkam, nahm er zum Spiel einen Bissen in den Mund, hielt ihn dort stundenlang und spie ihn dann meist wieder aus. Zuerst dachte er, es sei die Trauer ?ber den Zustand seines Zimmers, die ihn vom Essen abhalte, aber gerade mit den Ver?nderungen des Zimmers s?hnte er sich sehr bald aus. Man hatte sich angew?hnt, Dinge, die man anderswo nicht unterbringen konnte, in dieses Zimmer hineinzustellen, und solcher Dinge gab es nun viele, da man ein Zimmer der Wohnung an drei Zimmerherren vermietet hatte. Diese ernsten Herren – alle drei hatten Vollb?rte, wie Gregor einmal durch eine T?rspalte feststellte – waren peinlich auf Ordnung, nicht nur in ihrem Ziminer, sondern, da sie sich nun einmal hier eingemietet hatten, in der ganzen Wirtschaft, also insbesondere in der K?che, bedacht. Unn?tzen oder gar schmutzigen Kram ertrugen sie nicht. ?berdies hatten sie zum gr??ten Teil ihre eigenen Einrichtungsst?cke mitgebracht. Aus diesem Grunde waren viele Dinge ?berfl?ssig geworden, die zwar nicht verk?uflich waren, die man aber auch nicht wegwerfen wollte. Alle diese wanderten in Gregors Zimmer. Ebenso auch die Aschenkiste und die Abfallkiste aus der K?che. Was nur im Augenblick unbrauchbar war, schleuderte die Bedienerin, die es immer sehr eilig hatte, einfach in Gregors Zimmer; Gregor sah gl?cklicherweise meist nur den betreffenden Gegenstand und die Hand, die ihn hielt. Die Bedienerin hatte vielleicht die Absicht, bei Zeit und Gelegenheit die Dinge wieder zu holen oder alle insgesamt mit einemmal hinauszuwerfen, tats?chlich aber blieben sie dort liegen, wohin sie durch den ersten Wurf gekommen waren, wenn nicht Gregor sich durch das Rumpelzeug wand und es in Bewegung brachte, zuerst gezwungen, weil kein sonstiger Platz zum Kriechen frei war, sp?ter aber mit wachsendem Vergn?gen, obwohl er nach solchen Wanderungen, zum Sterben m?de und traurig, wieder stundenlang sich nicht r?hrte.
Da die Zimmerherren manchmal auch ihr Abendessen zu Hause im gemeinsamen Wohnzimmer einnahmen, blieb die Wohnzimmert?r an manchen Abenden geschlossen, aber Gregor verzichtete ganz leicht auf das ?ffnen der T?r, hatte er doch schon manche Abende, an denen sie ge?ffnet war, nicht ausgenutzt, sondern war, ohne da? es die Familie merkte, im dunkelsten Winkel seines Zimmers gelegen. Einmal aber hatte die Bedienerin die T?r zum Wohnzimmer ein wenig offen gelassen, und sie blieb so offen, auch als die Zimmerherren am Abend eintraten und Licht gemacht wurde. Sie setzten sich oben an den Tisch, wo in fr?heren Zeiten der Vater, die Mutter und Gregor gegessen hatten, entfalteten die Servietten und nahmen Messer und Gabel in die Hand. Sofort erschien in der T?r die Mutter mit einer Sch?ssel Fleisch und knapp hinter ihr die Schwester mit einer Sch?ssel hochgeschichteter Kartoffeln. Das Essen dampfte mit starkem Rauch. Die Zimmerherren beugten sich ?ber die vor sie hingestellten Sch?sseln, als wollten sie sie vor dem Essen pr?fen, und tats?chlich zerschnitt der, welcher in der Mitte sa? und den anderen zwei als Autorit?t zu gelten schien, ein St?ck Fleisch noch auf der Sch?ssel, offenbar um festzustellen, ob es m?rbe genug sei und ob es nicht etwa in die K?che zur?ckgeschickt werden solle. Er war befriedigt, und Mutter und Schwester, die gespannt zugesehen hatten, begannen aufatmend zu l?cheln.
Die Familie selbst a? in der K?che. Trotzdem kam der Vater, ehe er in die K?che ging, in dieses Zimmer herein und machte mit einer einzigen Verbeugung, die Kappe in der Hand, einen Rundgang um den Tisch. Die Zimmerherren erhoben sich s?mtlich und murmelten etwas in ihre B?rte. Als sie dann allein waren, a?en sie fast unter vollkommenem Stillschweigen. Sonderbar schien es Gregor, da? man aus allen mannigfachen Ger?uschen des Essens immer wieder ihre kauenden Z?hne heraush?rte, als ob damit Gregor gezeigt werden sollte, da? man Z?hne brauche, um zu essen, und da? man auch mit den sch?nsten zahnlosen Kiefern nichts ausrichten k?nne. »Ich habe ja Appetit«, sagte sich Gregor sorgenvoll, »aber nicht auf diese Dinge. Wie sich diese Zimmerherren n?hren, und ich komme um!«
Gerade an diesem Abend – Gregor erinnerte sich nicht, w?hrend der ganzen Zeit die Violine geh?rt zu haben – ert?nte sie von der K?che her. Die Zimmerherren hatten schon ihr Nachtmahl beendet, der mittlere hatte eine Zeitung hervorgezogen, den zwei anderen je ein Blatt gegeben, und nun lasen sie zur?ckgelehnt und rauchten. Als die Violine zu spielen begann, wurden sie aufmerksam, erhoben sich und gingen auf den Fu?spitzen zur Vorzimmert?r, in der sie aneinandergedr?ngt stehen blieben. Man mu?te sie von der K?che aus geh?rt haben, denn der Vater rief: »Ist den Herren das Spiel vielleicht unangenehm? Es kann sofort eingestellt werden.« »Im Gegenteil«, sagte der mittlere der Herren, »m?chte das Fr?ulein nicht zu uns hereinkommen und hier im Zimmer spielen, wo es doch viel bequemer und gem?tlicher ist?« »O bitte«, rief der Vater, als sei er der Violinspieler. Die Herren traten ins Zimmer zur?ck und warteten. Bald kam der Vater mit dem Notenpult, die Mutter mit den Noten und die Schwester mit der Violine. Die Schwester bereitete alles ruhig zum Spiele vor; die Eltern, die niemals fr?her Zimmer vermietet hatten und deshalb die H?flichkeit gegen die Zimmerherren ?bertrieben, wagten gar nicht, sich auf ihre eigenen Sessel zu setzen; der Vater lehnte an der T?r, die rechte Hand zwischen zwei Kn?pfe des geschlossenen Livreerockes gesteckt; die Mutter aber erhielt von einem Herrn einen Sessel angeboten und sa?, da sie den Sessel dort lie?, wohin ihn der Herr zuf?llig gestellt hatte, abseits in einem Winkel.
Die Schwester begann zu spielen; Vater und Mutter verfolgten, jeder von seiner Seite, aufmerksam die Bewegungen ihrer H?nde. Gregor hatte, von dem Spiele angezogen, sich ein wenig weiter vorgewagt und war schon mit dem Kopf im Wohnzimmer. Er wunderte sich kaum dar?ber, da? er in letzter Zeit so wenig R?cksicht auf die andern nahm; fr?her war diese R?cksichtnahme sein Stolz gewesen. Und dabei h?tte er gerade jetzt mehr Grund gehabt, sich zu verstecken, denn infolge des Staubes, der in seinem Zimmer ?berall lag und bei der kleinsten Bewegung umherflog, war auch er ganz staubbedeckt; F?den, Haare, Speise?berreste schleppte er auf seinem R?cken und an den Seiten mit sich herum; seine Gleichg?ltigkeit gegen alles war viel zu gro?, als da? er sich, wie fr?her mehrmals w?hrend des Tages, auf den R?cken gelegt und am Teppich gescheuert h?tte. Und trotz dieses Zustandes hatte er keine Scheu, ein St?ck auf dem makellosen Fu?boden des Wohnzimmers vorzur?cken.
Allerdings achtete auch niemand auf ihn. Die Familie war g?nzlich vom Violinspiel in Anspruch genommen; die Zimmerherren dagegen, die zun?chst, die H?nde in den Hosentaschen, viel zu nahe hinter dem Notenpult der Schwester sich aufgestellt hatten, so da? sie alle in die Noten h?tten sehen k?nnen, was sicher die Schwester st?ren mu?te, zogen sich bald unter halblauten Gespr?chen mit gesenkten K?pfen zum Fenster zur?ck, wo sie, vom Vater besorgt beobachtet, auch blieben. Es hatte nun wirklich den ?berdeutlichen Anschein, als w?ren sie in ihrer Annahme, ein sch?nes oder unterhaltendes Violinspiel zu h?ren, entt?uscht, h?tten die ganze Vorf?hrung satt und lie?en sich nur aus H?flichkeit noch in ihrer Ruhe st?ren. Besonders die Art, wie sie alle aus Nase und Mund den Rauch ihrer Zigarren in die H?he bliesen, lie? auf gro?e Nervosit?t schlie?en. Und doch spielte die Schwester so sch?n. Ihr Gesicht war zur Seite geneigt, pr?fend und traurig folgten ihre Blicke den Notenzeilen. Gregor kroch noch ein St?ck vorw?rts und hielt den Kopf eng an den Boden, um m?glicherweise ihren Blicken begegnen zu k?nnen. War er ein Tier, da ihn Musik so ergriff ? Ihm war, als zeige sich ihm der Weg zu der ersehnten unbekannten Nahrung. Er war entschlossen, bis zur Schwester vorzudringen, sie am Rock zu zupfen und ihr dadurch anzudeuten, sie m?ge doch mit ihrer Violine in sein Zimmer kommen, denn niemand lohnte hier das Spiel so, wie er es lohnen wollte. Er wollte sie nicht mehr aus seinem Zimmer lassen, wenigstens nicht, solange er lebte; seine Schreckgestalt sollte ihm zum erstenmal n?tzlich werden; an allen T?ren seines Zimmers wollte er gleichzeitig sein und den Angreifern entgegenfauchen; die Schwester aber sollte nicht gezwungen, sondern freiwillig bei ihm bleiben; sie sollte neben ihm auf dem Kanapee sitzen, das Ohr zu ihm herunterneigen, und er wollte ihr dann anvertrauen, da? er die feste Absicht gehabt habe, sie auf das Konservatorium zu schicken, und da? er dies, wenn nicht das Ungl?ck dazwischen gekommen w?re, vergangene Weihnachten – Weihnachten war doch wohl schon vor?ber? – allen gesagt h?tte, ohne sich um irgendwelche Widerreden zu k?mmern. Nach dieser Erkl?rung w?rde die Schwester in Tr?nen der R?hrung ausbrechen, und Gregor w?rde sich bis zu ihrer Achsel erheben und ihren Hals k?ssen, den sie, seitdem sie ins Gesch?ft ging, frei ohne Band oder Kragen trug.
»Herr Samsa!« rief der mittlere Herr dem Vater zu und zeigte, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, mit dem Zeigefinger auf den langsam sich vorw?rtsbewegenden Gregor. Die Violine verstummte, der mittlere Zimmerherr l?chelte erst einmal kopfsch?ttelnd seinen Freunden zu und sah dann wieder auf Gregor hin. Der Vater schien es f?r n?tiger zu halten, statt Gregor zu vertreiben, vorerst die Zimmerherren zu beruhigen, trotzdem diese gar nicht aufgeregt waren und Gregor sie mehr als das Violinspiel zu unterhalten schien. Er eilte zu ihnen und suchte sie mit ausgebreiteten Armen in ihr Zimmer zu dr?ngen und gleichzeitig mit seinem K?rper ihnen den Ausblick auf Gregor zu nehmen. Sie wurden nun tats?chlich ein wenig b?se, man wu?te nicht mehr, ob ?ber das Benehmen des Vaters oder ?ber die ihnen jetzt aufgehende Erkenntnis, ohne es zu wissen, einen solchen Zimmernachbar wie Gregor besessen zu haben. Sie verlangten vom Vater Erkl?rungen, hoben ihrerseits die Arme, zupften unruhig an ihren B?rten und wichen nur langsam gegen ihr Zimmer zur?ck. Inzwischen hatte die Schwester die Verlorenheit, in die sie nach dem pl?tzlich abgebrochenen Spiel verfallen war, ?berwunden, hatte sich, nachdem sie eine Zeit lang in den l?ssig h?ngenden H?nden Violine und Bogen gehalten und weiter, als spiele sie noch, in die Noten gesehen hatte, mit einem Male aufgerafft, hatte das Instrument auf den Scho? der Mutter gelegt, die in Atembeschwerden mit heftig arbeitenden Lungen noch auf ihrem Sessel sa?, und war in das Nebenzimmer gelaufen, dem sich die Zimmerherren unter dem Dr?ngen des Vaters schon schneller n?herten. Man sah, wie unter den ge?bten H?nden der Schwester die Decken und Polster in den Betten in die H?he flogen und sich ordneten. Noch ehe die Herren das Zimmer erreicht hatten, war sie mit dem Aufbetten fertig und schl?pfte heraus. Der Vater schien wieder von seinem Eigensinn derartig ergriffen, da? er jeden Respekt verga?, den er seinen Mietern immerhin schuldete. Er dr?ngte nur und dr?ngte, bis schon in der T?r des Zimmers der mittlere der Herren donnernd mit dem Fu? aufstampfte und dadurch den Vater zum Stehen brachte. »Ich erkl?re hiermit«, sagte er, hob die Hand und suchte mit den Blicken auch die Mutter und die Schwester, »da? ich mit R?cksicht auf die in dieser Wohnung und Familie herrschenden widerlichen Verh?
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