r ins Wohnzimmer sah, aus dem man auch das Sitzungszimmer sehen konnte, und schlie?lich K. fragte, ob er hier nicht vor kurzem eine Frau gesehen habe. »Sie sind der Gerichtsdiener, nicht?« fragte K. »Ja«, sagte der Mann, »ach so, Sie sind der Angeklagte K., jetzt erkenne ich Sie auch, seien Sie willkommen.« Und er reichte K., der es gar nicht erwartet hatte, die Hand. »Heute ist aber keine Sitzung angezeigt«, sagte dann der Gerichtsdiener, als K. schwieg. »Ich wei?«, sagte K. und betrachtete den Zivilrock des Gerichtsdieners, der als einziges amtliches Abzeichen neben einigen gew?hnlichen Kn?pfen auch zwei vergoldete Kn?pfe aufwies, die von einem alten Offiziersmantel abgetrennt zu sein schienen. »Ich habe vor einem Weilchen mit Ihrer Frau gesprochen. Sie ist nicht mehr hier. Der Student hat sie zum Untersuchungsrichter getragen.« »Sehen Sie«, sagte der Gerichtsdiener, »immer tr?gt man sie mir weg. Heute ist doch Sonntag, und ich bin zu keiner Arbeit verpflichtet, aber nur, um mich von hier zu entfernen, schickt man mich mit einer jedenfalls unn?tzen Meldung weg. Und zwar schickt man mich nicht weit weg, so da? ich die Hoffnung habe, wenn ich mich sehr beeile, vielleicht noch rechtzeitig zur?ckzukommen. Ich laufe also, so sehr ich kann, schreie dem Amt, zu dem ich geschickt wurde, meine Meldung durch den T?rspalt so atemlos zu, da? man sie kaum verstanden haben wird, laufe wieder zur?ck, aber der Student hat sich noch mehr beeilt als ich, er hatte allerdings auch einen k?rzeren Weg, er mu?te nur die Bodentreppe hinunterlaufen. W?re ich nicht so abh?ngig, ich h?tte den Studenten schon l?ngst hier an der Wand zerdr?ckt. Hier neben dem Anschlagzettel. Davon tr?ume ich immer. Hier, ein wenig ?ber dem Fu?boden, ist er festgedr?ckt, die Arme gestreckt, die Finger gespreizt, die krummen Beine zum Kreis gedreht, und ringsherum Blutspritzer. Bisher war es aber nur Traum.« »Eine andere Hilfe gibt es nicht?« fragte K. l?chelnd. »Ich w??te keine«, sagte der Gerichtsdiener. »Und jetzt wird es ja noch ?rger, bisher hat er sie nur zu sich getragen, jetzt tr?gt er sie, was ich allerdings l?ngst erwartet habe, auch zum Untersuchungsrichter.« »Hat denn Ihre Frau gar keine Schuld dabei«, fragte K., er mu?te sich bei dieser Frage bezwingen, so sehr f?hlte auch er jetzt die Eifersucht. »Aber gewi?«, sagte der Gerichtsdiener, »sie hat sogar die gr??te Schuld. Sie hat sich ja an ihn geh?ngt. Was ihn betrifft, er l?uft allen Weibern nach. In diesem Hause allein ist er schon aus f?nf Wohnungen, in die er sich eingeschlichen hat, hinausgeworfen worden. Meine Frau ist allerdings die Sch?nste im ganzen Haus, und gerade ich darf mich nicht wehren.« »Wenn es sich so verh?lt, dann gibt es allerdings keine Hilfe«, sagte K. »Warum denn nicht?« fragte der Gerichtsdiener. »Man m??te den Studenten, der ein Feigling ist, einmal, wenn er meine Frau anr?hren will, so durchpr?geln, da? er es niemals mehr wagt. Aber ich darf es nicht, und andere machen mir den Gefallen nicht, denn alle f?rchten seine Macht. Nur ein Mann wie Sie k?nnte es tun.« »Wieso denn ich?« fragte K. erstaunt. »Sie sind doch angeklagt«, sagte der Gerichtsdiener. »Ja«, sagte K. »aber desto mehr m??te ich doch f?rchten, da? er, wenn auch vielleicht nicht Einflu? auf den Ausgang des Prozesses, so doch wahrscheinlich auf die Voruntersuchung hat.« »Ja, gewi?«, sagte der Gerichtsdiener, als sei die Ansicht K.s genau so richtig wie seine eigene. »Es werden aber bei uns in der Regel keine aussichtslosen Prozesse gef?hrt.« »Ich bin nicht Ihrer Meinung«, sagte K., »das soll mich aber nicht hindern, gelegentlich den Studenten in Behandlung zu nehmen.« »Ich w?re Ihnen sehr dankbar«, sagte der Gerichtsdiener etwas f?rmlich, er schien eigentlich doch nicht an die Erf?llbarkeit seines h?chsten Wunsches zu glauben. »Es w?rden vielleicht«, fuhr K. fort, »auch noch andere Ihrer Beamten und vielleicht sogar alle das gleiche verdienen.« »Ja, ja«, sagte der Gerichtsdiener, als handle es sich um etwas Selbstverst?ndliches. Dann sah er K. mit einem zutraulichen Blick an, wie er es bisher trotz aller Freundlichkeit nicht getan hatte, und f?gte hinzu: »Man rebelliert eben immer.« Aber das Gespr?ch schien ihm doch ein wenig unbehaglich geworden zu sein, denn er brach es ab, indem er sagte: »Jetzt mu? ich mich in der Kanzlei melden. Wollen Sie mitkommen?« »Ich habe dort nichts zu tun«, sagte K. »Sie k?nnen die Kanzleien ansehen. Es wird sich niemand um Sie k?mmern.« »Ist es denn sehenswert?« fragte K. z?gernd, hatte aber gro?e Lust, mitzugehen. »Nun«, sagte der Gerichtsdiener, »ich dachte, es w?rde Sie interessieren.« »Gut«, sagte K. schlie?lich, »ich gehe mit.« Und er lief schneller als der Gerichtsdiener die Treppe hinauf.
Beim Eintritt w?re er fast hingefallen, denn hinter der T?r war noch eine Stufe. »Auf das Publikum nimmt man nicht viel R?cksicht«, sagte er. »Man nimmt ?berhaupt keine R?cksicht«, sagte der Gerichtsdiener, »sehen Sie nur hier das Wartezimmer.« Es war ein langer Gang, von dem aus roh gezimmerte T?ren zu den einzelnen Abteilungen des Dachbodens f?hrten. Obwohl kein unmittelbarer Lichtzutritt bestand, war es doch nicht vollst?ndig dunkel, denn manche Abteilungen hatten gegen den Gang zu statt einheitlicher Bretterw?nde blo?e, allerdings bis zur Decke reichende Holzgitter, durch die einiges Licht drang und durch die man auch einzelne Beamte sehen konnte, wie sie an Tischen schrieben oder geradezu am Gitter standen und durch die L?cken die Leute auf dem Gang beobachteten. Es waren, wahrscheinlich weil Sonntag war, nur wenig Leute auf dem Gang. Sie machten einen sehr bescheidenen Eindruck. In fast regelm??igen Entfernungen voneinander sa?en sie auf den zwei Reihen langer Holzb?nke, die zu beiden Seiten des Ganges angebracht waren. Alle waren vernachl?ssigt angezogen, obwohl die meisten nach dem Gesichtsausdruck, der Haltung, der Barttracht und vielen, kaum sicherzustellenden kleinen Einzelheiten den h?heren Klassen angeh?rten. Da keine Kleiderhaken vorhanden waren, hatten sie die H?te, wahrscheinlich einer dem Beispiel des anderen folgend, unter die Bank gestellt. Als die, welche zun?chst der T?r sa?en, K. und den Gerichtsdiener erblickten, erhoben sie sich zum Gru?, da das die Folgenden sahen, glaubten sie auch gr??en zu m?ssen, so da? alle beim Vorbeigehen der beiden sich erhoben. Sie standen niemals vollst?ndig aufrecht, der R?cken war geneigt, die Knie geknickt, sie standen wie Stra?enbettler. K. wartete auf den ein wenig hinter ihm gehenden Gerichtsdiener und sagte: »Wie gedem?tigt die sein m?ssen.« »Ja«, sagte der Gerichtsdiener, »es sind Angeklagte, alle, die Sie hier sehn, sind Angeklagte.« »Wirklich!« sagte K. »Dann sind es ja meine Kollegen.« Und er wandte sich an den n?chsten, einen gro?en, schlanken, schon fast grauhaarigen Mann. »Worauf warten Sie hier?« fragte K. h?flich. Die unerwartete Ansprache aber machte den Mann verwirrt, was um so peinlicher aussah, da es sich offenbar um einen welterfahrenen Menschen handelte, der anderswo gewi? sich zu beherrschen verstand und die ?berlegenheit, die er sich ?ber viele erworben hatte, nicht leicht aufgab. Hier aber wu?te er auf eine so einfache Frage nicht zu antworten und sah auf die anderen hin, als seien sie verpflichtet, ihm zu helfen, und als k?nne niemand von ihm eine Antwort verlangen, wenn diese Hilfe ausbliebe. Da trat der Gerichtsdiener hinzu und sagte, um den Mann zu beruhigen und aufzumuntern: »Der Herr hier fragt ja nur, worauf Sie warten. Antworten Sie doch.« Die ihm wahrscheinlich bekannte Stimme des Gerichtsdieners wirkte besser: »Ich warte –« begann er und stockte. Offenbar hatte er diesen Anfang gew?hlt, um ganz genau auf die Fragestellung zu antworten, fand aber jetzt die Fortsetzung nicht. Einige der Wartenden hatten sich gen?hert und umstanden die Gruppe, der Gerichtsdiener sagte zu ihnen: »Weg, weg, macht den Gang frei.« Sie wichen ein wenig zur?ck, aber nicht bis zu ihren fr?heren Sitzen. Inzwischen hatte sich der Gefragte gesammelt und antwortete sogar mit einem kleinen L?cheln: »Ich habe vor einem Monat einige Beweisantr?ge in meiner Sache gemacht und warte auf die Erledigung.« »Sie scheinen sich ja viele M?he zu geben«, sagte K. »Ja«, sagte der Mann, »es ist ja meine Sache.« »Jeder denkt nicht so wie Sie«, sagte K., »ich zum Beispiel bin auch angeklagt, habe aber, so wahr ich selig werden will, weder einen Beweisantrag gestellt, noch auch sonst irgend etwas Derartiges unternommen. Halten Sie denn das f?r n?tig?« »Ich wei? nicht genau«, sagte der Mann wieder in vollst?ndiger Unsicherheit; er glaubte offenbar, K. mache mit ihm einen Scherz, deshalb h?tte er wahrscheinlich am liebsten, aus Furcht, irgendeinen neuen Fehler zu machen, seine fr?here Antwort ganz wiederholt, vor K.s ungeduldigem Blick aber sagte er nur: »Was mich betrifft, ich habe Beweisantr?ge gestellt.« »Sie glauben wohl nicht, da? ich angeklagt bin?« fragte K. »O bitte, gewi?«, sagte der Mann, und trat ein wenig zur Seite, aber in der Antwort war nicht Glaube, sondern nur Angst. »Sie glauben mir also nicht?« fragte K. und fa?te ihn, unbewu?t durch das dem?tige Wesen des Mannes aufgefordert, beim Arm, als wolle er ihn zum Glauben zwingen. Aber er wollte ihm nicht Schmerz bereiten, hatte ihn auch nur ganz leicht angegriffen, trotzdem schrie der Mann auf, als habe K. ihn nicht mit zwei Fingern, sondern mit einer gl?henden Zange erfa?t. Dieses l?cherliche Schreien machte ihn K. endg?ltig ?berdr?ssig; glaubte man ihm nicht, da? er angeklagt war, so war es desto besser; vielleicht hielt er ihn sogar f?r einen Richter. Und er fa?te ihn nun zum Abschied wirklich fester, stie? ihn auf die Bank zur?ck und ging weiter. »Die meisten Angeklagten sind so empfindlich«, sagte der Gerichtsdiener. Hinter ihnen sammelten sich jetzt fast alle Wartenden um den Mann, der schon zu schreien aufgeh?rt hatte, und schienen ihn ?ber den Zwischenfall genau auszufragen. K. entgegen kam jetzt ein W?chter, der haupts?chlich an einem S?bel kenntlich war, dessen Scheide, wenigstens der Farbe nach, aus Aluminium bestand. K. staunte dar?ber und griff sogar mit der Hand hin. Der W?chter, der wegen des Schreiens gekommen war, fragte nach dem Vorgefallenen. Der Gerichtsdiener suchte ihn mit einigen Worten zu beruhigen, aber der W?chter erkl?rte, doch noch selbst nachsehen zu m?ssen, salutierte und ging weiter mit sehr eiligen, aber sehr kurzen, wahrscheinlich durch Gicht abgemessenen Schritten.
K. k?mmerte sich nicht lange um ihn und die Gesellschaft auf dem Gang, besonders da er etwa in der H?lfte des Ganges die M?glichkeit sah, rechts durch eine t?rlose ?ffnung einzubiegen. Er verst?ndigte sich mit dem Gerichtsdiener dar?ber, ob das der richtige Weg sei, der Gerichtsdiener nickte, und K. bog nun wirklich dort ein. Es war ihm l?stig, da? er immer einen oder zwei Schritte vor dem Gerichtsdiener gehen mu?te, es konnte wenigstens an diesem Ort den Anschein haben, als ob er verhaftet vorgef?hrt werde. Er wartete also ?fters auf den Gerichtsdiener, aber dieser blieb gleich wieder zur?ck. Schlie?lich sagte K., um seinem Unbehagen ein Ende zu machen: »Nun habe ich gesehen, wie es hier aussieht, ich will jetzt weggehen.« »Sie haben noch nicht alles gesehen«, sagte der Gerichtsdiener vollst?ndig unverf?nglich. »Ich will nicht alles sehen«, sagte K., der sich ?brigens wirklich m?de f?hlte, »ich will gehen, wie kommt man zum Ausgang?« »Sie haben sich doch nicht schon verirrt?« fragte der Gerichtsdiener erstaunt, »Sie gehen hier bis zur Ecke und dann rechts den Gang hinunter geradeaus zur T?r.« »Kommen Sie mit«, sagte K., »zeigen Sie mir den Weg, ich werde ihn verfehlen, es sind hier so viele Wege.« »Es ist der einzige Weg«, sagte der Gerichtsdiener nun schon vorwurfsvoll, »ich kann nicht wieder mit Ihnen zur?ckgehen, ich mu? doch meine Meldung vorbringen und habe schon viel Zeit durch Sie vers?umt.« »Kommen Sie mit!« wiederholte K. jetzt sch?rfer, als habe er endlich den Gerichtsdiener auf einer Unwahrheit ertappt. »Schreien Sie doch nicht so«, fl?sterte der Gerichtsdiener, »es sind ja hier ?berall B?ros. Wenn Sie nicht allein zur?ckgehen wollen, so gehen Sie noch ein St?ckchen mit mir oder warten Sie hier, bis ich meine Meldung erledigt habe, dann will ich ja gern mit Ihnen wieder zur?ckgehen.« »Nein, nein«, sagte K., »ich werde nicht warten, und Sie m?ssen jetzt mit mir gehen.« K. hatte sich noch gar nicht in dem Raum umgesehen, in dem er sich befand, erst als jetzt eine der vielen Holzt?ren, die ringsherum standen, sich ?ffnete, blickte er hin. Ein M?dchen, das wohl durch K.s lautes Sprechen herbeigerufen war, trat ein und fragte: »Was w?nscht der Herr?« Hinter ihr in der Ferne sah man im Halbdunkel noch einen Mann sich n?hern. K. blickte den Gerichtsdiener an. Dieser hatte doch gesagt, da? sich niemand um K. k?mmern werde, und nun kamen schon zwei, es brauchte nur wenig und die Beamtenschaft wurde auf ihn aufmerksam, w?
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Beim Eintritt w?re er fast hingefallen, denn hinter der T?r war noch eine Stufe. »Auf das Publikum nimmt man nicht viel R?cksicht«, sagte er. »Man nimmt ?berhaupt keine R?cksicht«, sagte der Gerichtsdiener, »sehen Sie nur hier das Wartezimmer.« Es war ein langer Gang, von dem aus roh gezimmerte T?ren zu den einzelnen Abteilungen des Dachbodens f?hrten. Obwohl kein unmittelbarer Lichtzutritt bestand, war es doch nicht vollst?ndig dunkel, denn manche Abteilungen hatten gegen den Gang zu statt einheitlicher Bretterw?nde blo?e, allerdings bis zur Decke reichende Holzgitter, durch die einiges Licht drang und durch die man auch einzelne Beamte sehen konnte, wie sie an Tischen schrieben oder geradezu am Gitter standen und durch die L?cken die Leute auf dem Gang beobachteten. Es waren, wahrscheinlich weil Sonntag war, nur wenig Leute auf dem Gang. Sie machten einen sehr bescheidenen Eindruck. In fast regelm??igen Entfernungen voneinander sa?en sie auf den zwei Reihen langer Holzb?nke, die zu beiden Seiten des Ganges angebracht waren. Alle waren vernachl?ssigt angezogen, obwohl die meisten nach dem Gesichtsausdruck, der Haltung, der Barttracht und vielen, kaum sicherzustellenden kleinen Einzelheiten den h?heren Klassen angeh?rten. Da keine Kleiderhaken vorhanden waren, hatten sie die H?te, wahrscheinlich einer dem Beispiel des anderen folgend, unter die Bank gestellt. Als die, welche zun?chst der T?r sa?en, K. und den Gerichtsdiener erblickten, erhoben sie sich zum Gru?, da das die Folgenden sahen, glaubten sie auch gr??en zu m?ssen, so da? alle beim Vorbeigehen der beiden sich erhoben. Sie standen niemals vollst?ndig aufrecht, der R?cken war geneigt, die Knie geknickt, sie standen wie Stra?enbettler. K. wartete auf den ein wenig hinter ihm gehenden Gerichtsdiener und sagte: »Wie gedem?tigt die sein m?ssen.« »Ja«, sagte der Gerichtsdiener, »es sind Angeklagte, alle, die Sie hier sehn, sind Angeklagte.« »Wirklich!« sagte K. »Dann sind es ja meine Kollegen.« Und er wandte sich an den n?chsten, einen gro?en, schlanken, schon fast grauhaarigen Mann. »Worauf warten Sie hier?« fragte K. h?flich. Die unerwartete Ansprache aber machte den Mann verwirrt, was um so peinlicher aussah, da es sich offenbar um einen welterfahrenen Menschen handelte, der anderswo gewi? sich zu beherrschen verstand und die ?berlegenheit, die er sich ?ber viele erworben hatte, nicht leicht aufgab. Hier aber wu?te er auf eine so einfache Frage nicht zu antworten und sah auf die anderen hin, als seien sie verpflichtet, ihm zu helfen, und als k?nne niemand von ihm eine Antwort verlangen, wenn diese Hilfe ausbliebe. Da trat der Gerichtsdiener hinzu und sagte, um den Mann zu beruhigen und aufzumuntern: »Der Herr hier fragt ja nur, worauf Sie warten. Antworten Sie doch.« Die ihm wahrscheinlich bekannte Stimme des Gerichtsdieners wirkte besser: »Ich warte –« begann er und stockte. Offenbar hatte er diesen Anfang gew?hlt, um ganz genau auf die Fragestellung zu antworten, fand aber jetzt die Fortsetzung nicht. Einige der Wartenden hatten sich gen?hert und umstanden die Gruppe, der Gerichtsdiener sagte zu ihnen: »Weg, weg, macht den Gang frei.« Sie wichen ein wenig zur?ck, aber nicht bis zu ihren fr?heren Sitzen. Inzwischen hatte sich der Gefragte gesammelt und antwortete sogar mit einem kleinen L?cheln: »Ich habe vor einem Monat einige Beweisantr?ge in meiner Sache gemacht und warte auf die Erledigung.« »Sie scheinen sich ja viele M?he zu geben«, sagte K. »Ja«, sagte der Mann, »es ist ja meine Sache.« »Jeder denkt nicht so wie Sie«, sagte K., »ich zum Beispiel bin auch angeklagt, habe aber, so wahr ich selig werden will, weder einen Beweisantrag gestellt, noch auch sonst irgend etwas Derartiges unternommen. Halten Sie denn das f?r n?tig?« »Ich wei? nicht genau«, sagte der Mann wieder in vollst?ndiger Unsicherheit; er glaubte offenbar, K. mache mit ihm einen Scherz, deshalb h?tte er wahrscheinlich am liebsten, aus Furcht, irgendeinen neuen Fehler zu machen, seine fr?here Antwort ganz wiederholt, vor K.s ungeduldigem Blick aber sagte er nur: »Was mich betrifft, ich habe Beweisantr?ge gestellt.« »Sie glauben wohl nicht, da? ich angeklagt bin?« fragte K. »O bitte, gewi?«, sagte der Mann, und trat ein wenig zur Seite, aber in der Antwort war nicht Glaube, sondern nur Angst. »Sie glauben mir also nicht?« fragte K. und fa?te ihn, unbewu?t durch das dem?tige Wesen des Mannes aufgefordert, beim Arm, als wolle er ihn zum Glauben zwingen. Aber er wollte ihm nicht Schmerz bereiten, hatte ihn auch nur ganz leicht angegriffen, trotzdem schrie der Mann auf, als habe K. ihn nicht mit zwei Fingern, sondern mit einer gl?henden Zange erfa?t. Dieses l?cherliche Schreien machte ihn K. endg?ltig ?berdr?ssig; glaubte man ihm nicht, da? er angeklagt war, so war es desto besser; vielleicht hielt er ihn sogar f?r einen Richter. Und er fa?te ihn nun zum Abschied wirklich fester, stie? ihn auf die Bank zur?ck und ging weiter. »Die meisten Angeklagten sind so empfindlich«, sagte der Gerichtsdiener. Hinter ihnen sammelten sich jetzt fast alle Wartenden um den Mann, der schon zu schreien aufgeh?rt hatte, und schienen ihn ?ber den Zwischenfall genau auszufragen. K. entgegen kam jetzt ein W?chter, der haupts?chlich an einem S?bel kenntlich war, dessen Scheide, wenigstens der Farbe nach, aus Aluminium bestand. K. staunte dar?ber und griff sogar mit der Hand hin. Der W?chter, der wegen des Schreiens gekommen war, fragte nach dem Vorgefallenen. Der Gerichtsdiener suchte ihn mit einigen Worten zu beruhigen, aber der W?chter erkl?rte, doch noch selbst nachsehen zu m?ssen, salutierte und ging weiter mit sehr eiligen, aber sehr kurzen, wahrscheinlich durch Gicht abgemessenen Schritten.
K. k?mmerte sich nicht lange um ihn und die Gesellschaft auf dem Gang, besonders da er etwa in der H?lfte des Ganges die M?glichkeit sah, rechts durch eine t?rlose ?ffnung einzubiegen. Er verst?ndigte sich mit dem Gerichtsdiener dar?ber, ob das der richtige Weg sei, der Gerichtsdiener nickte, und K. bog nun wirklich dort ein. Es war ihm l?stig, da? er immer einen oder zwei Schritte vor dem Gerichtsdiener gehen mu?te, es konnte wenigstens an diesem Ort den Anschein haben, als ob er verhaftet vorgef?hrt werde. Er wartete also ?fters auf den Gerichtsdiener, aber dieser blieb gleich wieder zur?ck. Schlie?lich sagte K., um seinem Unbehagen ein Ende zu machen: »Nun habe ich gesehen, wie es hier aussieht, ich will jetzt weggehen.« »Sie haben noch nicht alles gesehen«, sagte der Gerichtsdiener vollst?ndig unverf?nglich. »Ich will nicht alles sehen«, sagte K., der sich ?brigens wirklich m?de f?hlte, »ich will gehen, wie kommt man zum Ausgang?« »Sie haben sich doch nicht schon verirrt?« fragte der Gerichtsdiener erstaunt, »Sie gehen hier bis zur Ecke und dann rechts den Gang hinunter geradeaus zur T?r.« »Kommen Sie mit«, sagte K., »zeigen Sie mir den Weg, ich werde ihn verfehlen, es sind hier so viele Wege.« »Es ist der einzige Weg«, sagte der Gerichtsdiener nun schon vorwurfsvoll, »ich kann nicht wieder mit Ihnen zur?ckgehen, ich mu? doch meine Meldung vorbringen und habe schon viel Zeit durch Sie vers?umt.« »Kommen Sie mit!« wiederholte K. jetzt sch?rfer, als habe er endlich den Gerichtsdiener auf einer Unwahrheit ertappt. »Schreien Sie doch nicht so«, fl?sterte der Gerichtsdiener, »es sind ja hier ?berall B?ros. Wenn Sie nicht allein zur?ckgehen wollen, so gehen Sie noch ein St?ckchen mit mir oder warten Sie hier, bis ich meine Meldung erledigt habe, dann will ich ja gern mit Ihnen wieder zur?ckgehen.« »Nein, nein«, sagte K., »ich werde nicht warten, und Sie m?ssen jetzt mit mir gehen.« K. hatte sich noch gar nicht in dem Raum umgesehen, in dem er sich befand, erst als jetzt eine der vielen Holzt?ren, die ringsherum standen, sich ?ffnete, blickte er hin. Ein M?dchen, das wohl durch K.s lautes Sprechen herbeigerufen war, trat ein und fragte: »Was w?nscht der Herr?« Hinter ihr in der Ferne sah man im Halbdunkel noch einen Mann sich n?hern. K. blickte den Gerichtsdiener an. Dieser hatte doch gesagt, da? sich niemand um K. k?mmern werde, und nun kamen schon zwei, es brauchte nur wenig und die Beamtenschaft wurde auf ihn aufmerksam, w?
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