er doch nicht stumm mit dem Italiener vor den Kunstwerken im Dom auf und ab gehen k?nne, und er zog mit noch gr??erer Wut das W?rterbuch wieder hervor.
Gerade um halb zehn Uhr, als er weggehen wollte, erfolgte ein telephonischer Anruf. Leni w?nschte ihm guten Morgen und fragte nach seinem Befinden, K. dankte eilig und bemerkte, er k?nne sich jetzt unm?glich in ein Gespr?ch einlassen, denn er m?sse in den Dom. »In den Dom?« fragte Leni. »Nun ja, in den Dom.« »Warum denn in den Dom?« sagte Leni. K. suchte es ihr in K?rze zu erkl?ren, aber kaum hatte er damit angefangen, sagte Leni pl?tzlich: »Sie hetzen dich.« Bedauern, das er nicht herausgefordert und nicht erwartet hatte, vertrug K. nicht, er verabschiedete sich mit zwei Worten, sagte aber doch, w?hrend er den H?rer an seinen Platz h?ngte, halb zu sich, halb zu dem fernen M?dchen, das es nicht mehr h?rte: »Ja, sie hetzen mich.«
Nun war es aber schon sp?t, es bestand schon fast die Gefahr, da? er nicht rechtzeitig ankam. Im Automobil fuhr er hin, im letzten Augenblick hatte er sich noch an das Album erinnert, das er fr?h zu ?bergeben keine Gelegenheit gefunden hatte und das er deshalb jetzt mitnahm. Er hielt es auf seinen Knien und trommelte darauf unruhig w?hrend der ganzen Fahrt. Der Regen war schw?cher geworden, aber es war feucht, k?hl und dunkel, man w?rde im Dom wenig sehen, wohl aber w?rde sich dort, infolge des langen Stehens auf den kalten Fliesen, K.s Verk?hlung sehr verschlimmern. Der Domplatz war ganz leer, K. erinnerte sich, da? es ihm schon als kleinem Kind aufgefallen war, da? in den H?usern dieses engen Platzes immer fast alle Fenstervorh?nge herabgelassen waren. Bei dem heutigen Wetter war es allerdings verst?ndlicher als sonst. Auch im Dom schien es leer zu sein, es fiel nat?rlich niemandem ein, jetzt hierherzukommen. K. durchlief beide Seitenschiffe, er traf nur ein altes Weib, das, eingeh?llt in ein warmes Tuch, vor einem Marienbild kniete und es anblickte. Von weitem sah er dann noch einen hinkenden Diener in einer Mauert?r verschwinden. K. war p?nktlich gekommen, gerade bei seinem Eintritt hatte es zehn geschlagen, der Italiener war aber noch nicht hier. K. ging zum Haupteingang zur?ck, stand dort eine Zeitlang unentschlossen und machte dann im Regen einen Rundgang um den Dom, um nachzusehen, ob der Italiener nicht vielleicht bei irgendeinem Seiteneingang warte. Er war nirgends zu finden. Sollte der Direktor etwa die Zeitangabe mi?verstanden haben? Wie konnte man auch diesen Menschen richtig verstehen? Wie es aber auch sein mochte, jedenfalls mu?te K. zumindest eine halbe Stunde auf ihn warten. Da er m?de war, wollte er sich setzen, er ging wieder in den Dom, fand auf einer Stufe einen kleinen, teppichartigen Fetzen, zog ihn mit der Fu?spitze vor eine nahe Bank, wickelte sich fester in seinen Mantel, schlug den Kragen in die H?he und setzte sich. Um sich zu zerstreuen, schlug er das Album auf, bl?tterte darin ein wenig, mu?te aber bald aufh?ren, denn es wurde so dunkel, da? er, als er aufblickte, in dem nahen Seitenschiff kaum eine Einzelheit unterscheiden konnte. In der Ferne funkelte auf dem Hauptaltar ein gro?es Dreieck von Kerzenlichtern, K. h?tte nicht mit Bestimmtheit sagen k?nnen, ob er sie schon fr?her gesehen hatte. Vielleicht waren sie erst jetzt angez?ndet worden. Die Kirchendiener sind berufsm??ige Schleicher, man bemerkt sie nicht. Als sich K. zuf?llig umdrehte, sah er nicht weit hinter sich eine hohe, starke, an einer S?ule befestigte Kerze gleichfalls brennen. So sch?n das war, zur Beleuchtung der Altarbilder, die meistens in der Finsternis der Seitenalt?re hingen, war das g?nzlich unzureichend, es vermehrte vielmehr die Finsternis. Es war vom Italiener ebenso vern?nftig als unh?flich gehandelt, da? er nicht gekommen war, es w?re nichts zu sehen gewesen, man h?tte sich damit begn?gen m?ssen, mit K.s elektrischer Taschenlampe einige Bilder zollweise abzusuchen. Um zu versuchen, was man davon erwarten k?nnte, ging K. zu einer nahen Seitenkapelle, stieg ein paar Stufen bis zu einer niedrigen Marmorbr?stung und, ?ber sie vorgebeugt, beleuchtete er mit der Lampe das Altarbild. St?rend schwebte das ewige Licht davor. Das erste, was K. sah und zum Teil erriet, war ein gro?er, gepanzerter Ritter, der am ?u?ersten Rande des Bildes dargestellt war. Er st?tzte sich auf sein Schwert, das er in den kahlen Boden vor sich – nur einige Grashalme kamen hie und da hervor – gesto?en hatte. Er schien aufmerksam einen Vorgang zu beobachten, der sich vor ihm abspielte. Es war erstaunlich, da? er so stehenblieb und sich nicht n?herte. Vielleicht war er dazu bestimmt, Wache zu stehen. K., der schon lange keine Bilder gesehen hatte, betrachtete den Ritter l?ngere Zeit, obwohl er immerfort mit den Augen zwinkern mu?te, da er das gr?ne Licht der Lampe nicht vertrug. Als er dann das Licht ?ber den ?brigen Teil des Bildes streichen lie?, fand er eine Grablegung Christi in gew?hnlicher Auffassung, es war ?brigens ein neueres Bild. Er steckte die Lampe ein und kehrte wieder zu seinem Platz zur?ck.
Es war nun schon wahrscheinlich unn?tig, auf den Italiener zu warten, drau?en war aber gewi? str?mender Regen, und da es hier nicht so kalt war, wie K. erwartet hatte, beschlo? er, vorl?ufig hierzubleiben. In seiner Nachbarschaft war die gro?e Kanzel, auf ihrem kleinen, runden Dach waren halb liegend zwei leere, goldene Kreuze angebracht, die einander mit ihrer ?u?ersten Spitze ?berquerten. Die Au?enwand der Br?stung und der ?bergang zur tragenden S?ule war von gr?nem Laubwerk gebildet, in das kleine Engel griffen, bald lebhaft, bald ruhend. K. trat vor die Kanzel und untersuchte sie von allen Seiten, die Bearbeitung des Steines war ?beraus sorgf?ltig, das tiefe Dunkel zwischen dem Laubwerk und hinter ihm schien wie eingefangen und festgehalten, K. legte seine Hand in eine solche L?cke und tastete dann den Stein vorsichtig ab, von dem Dasein dieser Kanzel hatte er bisher gar nicht gewu?t. Da bemerkte er zuf?llig hinter der n?chsten Bankreihe einen Kirchendiener, der dort in einem h?ngenden, faltigen, schwarzen Rock stand, in der linken Hand eine Schnupftabakdose hielt und ihn betrachtete. Was will denn der Mann? dachte K. Bin ich ihm verd?chtig? Will er ein Trinkgeld? Als sich aber nun der Kirchendiener von K. bemerkt sah, zeigte er mit der Rechten, zwischen zwei Fingern hielt er noch eine Prise Tabak, in irgendeiner unbestimmten Richtung. Sein Benehmen war fast unverst?ndlich, K. wartete noch ein Weilchen, aber der Kirchendiener h?rte nicht auf, mit der Hand etwas zu zeigen und bekr?ftigte es noch durch Kopfnicken. »Was will er denn?« fragte K. leise, er wagte es nicht, hier zu rufen; dann aber zog er die Geldtasche und dr?ngte sich durch die n?chste Bank, um zu dem Mann zu kommen. Doch dieser machte sofort eine abwehrende Bewegung mit der Hand, zuckte die Schultern und hinkte davon. Mit einer ?hnlichen Gangart, wie es dieses eilige Hinken war, hatte K. als Kind das Reiten auf Pferden nachzuahmen versucht. »Ein kindischer Alter«, dachte K., »sein Verstand reicht nur noch zum Kirchendienst aus. Wie er stehenbleibt, wenn ich stehe, und wie er lauert, ob ich weitergehen will.« L?chelnd folgte K. dem Alten durch das ganze Seitenschiff fast bis zur H?he des Hauptaltars, der Alte h?rte nicht auf, etwas zu zeigen, aber K. drehte sich absichtlich nicht um, das Zeigen hatte keinen anderen Zweck, als ihn von der Spur des Alten abzubringen. Schlie?lich lie? er wirklich von ihm, er wollte ihn nicht zu sehr ?ngstigen, auch wollte er die Erscheinung, f?r den Fall, da? der Italiener doch noch kommen sollte, nicht ganz verscheuchen.
Als er in das Hauptschiff trat, um seinen Platz zu suchen, auf dem er das Album liegengelassen hatte, bemerkte er an einer S?ule, fast angrenzend an die B?nke des Altarchors, eine kleine Nebenkanzel, ganz einfach, aus kahlem, bleichem Stein. Sie war so klein, da? sie aus der Ferne wie eine noch leere Nische erschien, die f?r die Aufnahme einer Heiligenstatue bestimmt war. Der Prediger konnte gewi? keinen vollen Schritt von der Br?stung zur?cktreten. Au?erdem begann die steinerne Einw?lbung der Kanzel ungew?hnlich tief und stieg, zwar ohne jeden Schmuck, aber derartig geschweift in die H?he, da? ein mittelgro?er Mann dort nicht aufrecht stehen konnte, sondern sich dauernd ?ber die Br?stung vorbeugen mu?te. Das Ganze war wie zur Qual des Predigers bestimmt, es war unverst?ndlich, wozu man diese Kanzel ben?tigte, da man doch die andere, gro?e und so kunstvoll geschm?ckte zur Verf?gung hatte.
K. w?re auch diese kleine Kanzel gewi? nicht aufgefallen, wenn nicht oben eine Lampe befestigt gewesen w?re, wie man sie kurz vor einer Predigt bereitzustellen pflegt. Sollte jetzt etwa eine Predigt stattfinden? In der leeren Kirche? K. sah an der Treppe hinab, die an die S?ule sich anschmiegend zur Kanzel f?hrte und so schmal war, als sollte sie nicht f?r Menschen, sondern nur zum Schmuck der S?ule dienen. Aber unten an der Kanzel, K. l?chelte vor Staunen, stand wirklich der Geistliche, hielt die Hand am Gel?nder, bereit aufzusteigen, und sah auf K. hin. Dann nickte er ganz leicht mit dem Kopf, worauf K. sich bekreuzigte und verbeugte, was er schon fr?her h?tte tun sollen. Der Geistliche gab sich einen kleinen Aufschwung und stieg mit kurzen, schnellen Schritten die Kanzel hinauf. Sollte wirklich eine Predigt beginnen? War vielleicht der Kirchendiener doch nicht so ganz vom Verstand verlassen und hatte K. dem Prediger zutreiben wollen, was allerdings in der leeren Kirche ?u?erst notwendig gewesen war? ?brigens gab es ja noch irgendwo vor einem Marienbild ein altes Weib, das auch h?tte kommen sollen. Und wenn es schon eine Predigt sein sollte, warum wurde sie nicht von der Orgel eingeleitet? Aber die blieb still und blinkte nur schwach aus der Finsternis ihrer gro?en H?he.
K. dachte daran, ob er sich jetzt nicht eiligst entfernen sollte, wenn er es jetzt nicht tat, war keine Aussicht, da? er es w?hrend der Predigt tun k?nnte, er mu?te dann bleiben, solange sie dauerte, im B?ro verlor er soviel Zeit, auf den Italiener zu warten, war er l?ngst nicht mehr verpflichtet, er sah auf seine Uhr, es war elf. Aber konnte denn wirklich gepredigt werden? Konnte K. allein die Gemeinde darstellen? Wie, wenn er ein Fremder gewesen w?re, der nur die Kirche besichtigen wollte? Im Grunde war er auch nichts anderes. Es war unsinnig, daran zu denken, da? gepredigt werden sollte, jetzt um elf Uhr, an einem Werktag, bei gr??lichstem Wetter. Der Geistliche – ein Geistlicher war es zweifellos, ein junger Mann mit glattem, dunklem Gesicht – ging offenbar nur hinauf, um die Lampe zu l?schen, die irrt?mlich angez?ndet worden war.
Es war aber nicht so, der Geistliche pr?fte vielmehr das Licht und schraubte es noch ein wenig auf, dann drehte er sich langsam der Br?stung zu, die er vom an der kantigen Einfassung mit beiden H?nden erfa?te. So stand er eine Zeitlang und blickte, ohne den Kopf zu r?hren, umher. K. war ein gro?es St?ck zur?ckgewichen und lehnte mit den Ellbogen an der vordersten Kirchenbank. Mit unsicheren Augen sah er irgendwo, ohne den Ort genau zu bestimmen, den Kirchendiener, mit krummem R?cken, friedlich, wie nach beendeter Aufgabe, sich zusammenkauern. Was f?r eine Stille herrschte jetzt im Dom! Aber K. mu?te sie st?ren, er hatte nicht die Absicht, hierzubleiben; wenn es die Pflicht des Geistlichen war, zu einer bestimmten Stunde, ohne R?cksicht auf die Umst?nde, zu predigen, so mochte er es tun, es w?rde auch ohne K.s Beistand gelingen, ebenso wie die Anwesenheit K.s die Wirkung gewi? nicht steigem w?rde. Langsam setzte sich also K. in Gang, tastete sich auf den Fu?spitzen an der Bank hin, kam dann in den breiten Hauptweg und ging dort ganz ungest?rt, nur da? der steinerne Boden unter dem leisesten Schritt erklang und die W?lbungen schwach, aber ununterbrochen, in vielfachem, gesetzm??igem Fortschreiten davon widerhallten. K. f?hlte sich ein wenig verlassen, als er dort, vom Geistlichen vielleicht beobachtet, zwischen den leeren B?nken allein hindurchging, auch schien ihm die Gr??e des Doms gerade an der Grenze des f?r Menschen noch Ertr?glichen zu liegen. Als er zu seinem fr?heren Platz kam, haschte er f?rmlich, ohne weiteren Aufenthalt, nach dem dort liegengelassenen Album und nahm es an sich. Fast hatte er schon das Gebiet der B?nke verlassen und n?herte sich dem freien Raum, der zwischen ihnen und dem Ausgang lag, als er zum erstenmal die Stimme des Geistlichen h?rte. Eine m?chtige, ge?bte Stimme. Wie durchdrang sie den zu ihrer Aufnahme bereiten Dom! Es war aber nicht die Gemeinde, die der Geistliche anrief, es war ganz eindeutig, und es gab keine Ausfl?chte, er rief: »Josef K.!«
K. stockte und sah vor sich auf den Boden. Vorl?ufig war er noch frei, er konnte noch weitergehen und durch eine der drei kleinen, dunklen Holzt?ren, die nicht weit vor ihm waren, sich davonmachen. Es w?rde eben bedeuten, da? er nicht verstanden hatte, oder da? er zwar verstanden hatte, sich aber darum nicht k?
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Gerade um halb zehn Uhr, als er weggehen wollte, erfolgte ein telephonischer Anruf. Leni w?nschte ihm guten Morgen und fragte nach seinem Befinden, K. dankte eilig und bemerkte, er k?nne sich jetzt unm?glich in ein Gespr?ch einlassen, denn er m?sse in den Dom. »In den Dom?« fragte Leni. »Nun ja, in den Dom.« »Warum denn in den Dom?« sagte Leni. K. suchte es ihr in K?rze zu erkl?ren, aber kaum hatte er damit angefangen, sagte Leni pl?tzlich: »Sie hetzen dich.« Bedauern, das er nicht herausgefordert und nicht erwartet hatte, vertrug K. nicht, er verabschiedete sich mit zwei Worten, sagte aber doch, w?hrend er den H?rer an seinen Platz h?ngte, halb zu sich, halb zu dem fernen M?dchen, das es nicht mehr h?rte: »Ja, sie hetzen mich.«
Nun war es aber schon sp?t, es bestand schon fast die Gefahr, da? er nicht rechtzeitig ankam. Im Automobil fuhr er hin, im letzten Augenblick hatte er sich noch an das Album erinnert, das er fr?h zu ?bergeben keine Gelegenheit gefunden hatte und das er deshalb jetzt mitnahm. Er hielt es auf seinen Knien und trommelte darauf unruhig w?hrend der ganzen Fahrt. Der Regen war schw?cher geworden, aber es war feucht, k?hl und dunkel, man w?rde im Dom wenig sehen, wohl aber w?rde sich dort, infolge des langen Stehens auf den kalten Fliesen, K.s Verk?hlung sehr verschlimmern. Der Domplatz war ganz leer, K. erinnerte sich, da? es ihm schon als kleinem Kind aufgefallen war, da? in den H?usern dieses engen Platzes immer fast alle Fenstervorh?nge herabgelassen waren. Bei dem heutigen Wetter war es allerdings verst?ndlicher als sonst. Auch im Dom schien es leer zu sein, es fiel nat?rlich niemandem ein, jetzt hierherzukommen. K. durchlief beide Seitenschiffe, er traf nur ein altes Weib, das, eingeh?llt in ein warmes Tuch, vor einem Marienbild kniete und es anblickte. Von weitem sah er dann noch einen hinkenden Diener in einer Mauert?r verschwinden. K. war p?nktlich gekommen, gerade bei seinem Eintritt hatte es zehn geschlagen, der Italiener war aber noch nicht hier. K. ging zum Haupteingang zur?ck, stand dort eine Zeitlang unentschlossen und machte dann im Regen einen Rundgang um den Dom, um nachzusehen, ob der Italiener nicht vielleicht bei irgendeinem Seiteneingang warte. Er war nirgends zu finden. Sollte der Direktor etwa die Zeitangabe mi?verstanden haben? Wie konnte man auch diesen Menschen richtig verstehen? Wie es aber auch sein mochte, jedenfalls mu?te K. zumindest eine halbe Stunde auf ihn warten. Da er m?de war, wollte er sich setzen, er ging wieder in den Dom, fand auf einer Stufe einen kleinen, teppichartigen Fetzen, zog ihn mit der Fu?spitze vor eine nahe Bank, wickelte sich fester in seinen Mantel, schlug den Kragen in die H?he und setzte sich. Um sich zu zerstreuen, schlug er das Album auf, bl?tterte darin ein wenig, mu?te aber bald aufh?ren, denn es wurde so dunkel, da? er, als er aufblickte, in dem nahen Seitenschiff kaum eine Einzelheit unterscheiden konnte. In der Ferne funkelte auf dem Hauptaltar ein gro?es Dreieck von Kerzenlichtern, K. h?tte nicht mit Bestimmtheit sagen k?nnen, ob er sie schon fr?her gesehen hatte. Vielleicht waren sie erst jetzt angez?ndet worden. Die Kirchendiener sind berufsm??ige Schleicher, man bemerkt sie nicht. Als sich K. zuf?llig umdrehte, sah er nicht weit hinter sich eine hohe, starke, an einer S?ule befestigte Kerze gleichfalls brennen. So sch?n das war, zur Beleuchtung der Altarbilder, die meistens in der Finsternis der Seitenalt?re hingen, war das g?nzlich unzureichend, es vermehrte vielmehr die Finsternis. Es war vom Italiener ebenso vern?nftig als unh?flich gehandelt, da? er nicht gekommen war, es w?re nichts zu sehen gewesen, man h?tte sich damit begn?gen m?ssen, mit K.s elektrischer Taschenlampe einige Bilder zollweise abzusuchen. Um zu versuchen, was man davon erwarten k?nnte, ging K. zu einer nahen Seitenkapelle, stieg ein paar Stufen bis zu einer niedrigen Marmorbr?stung und, ?ber sie vorgebeugt, beleuchtete er mit der Lampe das Altarbild. St?rend schwebte das ewige Licht davor. Das erste, was K. sah und zum Teil erriet, war ein gro?er, gepanzerter Ritter, der am ?u?ersten Rande des Bildes dargestellt war. Er st?tzte sich auf sein Schwert, das er in den kahlen Boden vor sich – nur einige Grashalme kamen hie und da hervor – gesto?en hatte. Er schien aufmerksam einen Vorgang zu beobachten, der sich vor ihm abspielte. Es war erstaunlich, da? er so stehenblieb und sich nicht n?herte. Vielleicht war er dazu bestimmt, Wache zu stehen. K., der schon lange keine Bilder gesehen hatte, betrachtete den Ritter l?ngere Zeit, obwohl er immerfort mit den Augen zwinkern mu?te, da er das gr?ne Licht der Lampe nicht vertrug. Als er dann das Licht ?ber den ?brigen Teil des Bildes streichen lie?, fand er eine Grablegung Christi in gew?hnlicher Auffassung, es war ?brigens ein neueres Bild. Er steckte die Lampe ein und kehrte wieder zu seinem Platz zur?ck.
Es war nun schon wahrscheinlich unn?tig, auf den Italiener zu warten, drau?en war aber gewi? str?mender Regen, und da es hier nicht so kalt war, wie K. erwartet hatte, beschlo? er, vorl?ufig hierzubleiben. In seiner Nachbarschaft war die gro?e Kanzel, auf ihrem kleinen, runden Dach waren halb liegend zwei leere, goldene Kreuze angebracht, die einander mit ihrer ?u?ersten Spitze ?berquerten. Die Au?enwand der Br?stung und der ?bergang zur tragenden S?ule war von gr?nem Laubwerk gebildet, in das kleine Engel griffen, bald lebhaft, bald ruhend. K. trat vor die Kanzel und untersuchte sie von allen Seiten, die Bearbeitung des Steines war ?beraus sorgf?ltig, das tiefe Dunkel zwischen dem Laubwerk und hinter ihm schien wie eingefangen und festgehalten, K. legte seine Hand in eine solche L?cke und tastete dann den Stein vorsichtig ab, von dem Dasein dieser Kanzel hatte er bisher gar nicht gewu?t. Da bemerkte er zuf?llig hinter der n?chsten Bankreihe einen Kirchendiener, der dort in einem h?ngenden, faltigen, schwarzen Rock stand, in der linken Hand eine Schnupftabakdose hielt und ihn betrachtete. Was will denn der Mann? dachte K. Bin ich ihm verd?chtig? Will er ein Trinkgeld? Als sich aber nun der Kirchendiener von K. bemerkt sah, zeigte er mit der Rechten, zwischen zwei Fingern hielt er noch eine Prise Tabak, in irgendeiner unbestimmten Richtung. Sein Benehmen war fast unverst?ndlich, K. wartete noch ein Weilchen, aber der Kirchendiener h?rte nicht auf, mit der Hand etwas zu zeigen und bekr?ftigte es noch durch Kopfnicken. »Was will er denn?« fragte K. leise, er wagte es nicht, hier zu rufen; dann aber zog er die Geldtasche und dr?ngte sich durch die n?chste Bank, um zu dem Mann zu kommen. Doch dieser machte sofort eine abwehrende Bewegung mit der Hand, zuckte die Schultern und hinkte davon. Mit einer ?hnlichen Gangart, wie es dieses eilige Hinken war, hatte K. als Kind das Reiten auf Pferden nachzuahmen versucht. »Ein kindischer Alter«, dachte K., »sein Verstand reicht nur noch zum Kirchendienst aus. Wie er stehenbleibt, wenn ich stehe, und wie er lauert, ob ich weitergehen will.« L?chelnd folgte K. dem Alten durch das ganze Seitenschiff fast bis zur H?he des Hauptaltars, der Alte h?rte nicht auf, etwas zu zeigen, aber K. drehte sich absichtlich nicht um, das Zeigen hatte keinen anderen Zweck, als ihn von der Spur des Alten abzubringen. Schlie?lich lie? er wirklich von ihm, er wollte ihn nicht zu sehr ?ngstigen, auch wollte er die Erscheinung, f?r den Fall, da? der Italiener doch noch kommen sollte, nicht ganz verscheuchen.
Als er in das Hauptschiff trat, um seinen Platz zu suchen, auf dem er das Album liegengelassen hatte, bemerkte er an einer S?ule, fast angrenzend an die B?nke des Altarchors, eine kleine Nebenkanzel, ganz einfach, aus kahlem, bleichem Stein. Sie war so klein, da? sie aus der Ferne wie eine noch leere Nische erschien, die f?r die Aufnahme einer Heiligenstatue bestimmt war. Der Prediger konnte gewi? keinen vollen Schritt von der Br?stung zur?cktreten. Au?erdem begann die steinerne Einw?lbung der Kanzel ungew?hnlich tief und stieg, zwar ohne jeden Schmuck, aber derartig geschweift in die H?he, da? ein mittelgro?er Mann dort nicht aufrecht stehen konnte, sondern sich dauernd ?ber die Br?stung vorbeugen mu?te. Das Ganze war wie zur Qual des Predigers bestimmt, es war unverst?ndlich, wozu man diese Kanzel ben?tigte, da man doch die andere, gro?e und so kunstvoll geschm?ckte zur Verf?gung hatte.
K. w?re auch diese kleine Kanzel gewi? nicht aufgefallen, wenn nicht oben eine Lampe befestigt gewesen w?re, wie man sie kurz vor einer Predigt bereitzustellen pflegt. Sollte jetzt etwa eine Predigt stattfinden? In der leeren Kirche? K. sah an der Treppe hinab, die an die S?ule sich anschmiegend zur Kanzel f?hrte und so schmal war, als sollte sie nicht f?r Menschen, sondern nur zum Schmuck der S?ule dienen. Aber unten an der Kanzel, K. l?chelte vor Staunen, stand wirklich der Geistliche, hielt die Hand am Gel?nder, bereit aufzusteigen, und sah auf K. hin. Dann nickte er ganz leicht mit dem Kopf, worauf K. sich bekreuzigte und verbeugte, was er schon fr?her h?tte tun sollen. Der Geistliche gab sich einen kleinen Aufschwung und stieg mit kurzen, schnellen Schritten die Kanzel hinauf. Sollte wirklich eine Predigt beginnen? War vielleicht der Kirchendiener doch nicht so ganz vom Verstand verlassen und hatte K. dem Prediger zutreiben wollen, was allerdings in der leeren Kirche ?u?erst notwendig gewesen war? ?brigens gab es ja noch irgendwo vor einem Marienbild ein altes Weib, das auch h?tte kommen sollen. Und wenn es schon eine Predigt sein sollte, warum wurde sie nicht von der Orgel eingeleitet? Aber die blieb still und blinkte nur schwach aus der Finsternis ihrer gro?en H?he.
K. dachte daran, ob er sich jetzt nicht eiligst entfernen sollte, wenn er es jetzt nicht tat, war keine Aussicht, da? er es w?hrend der Predigt tun k?nnte, er mu?te dann bleiben, solange sie dauerte, im B?ro verlor er soviel Zeit, auf den Italiener zu warten, war er l?ngst nicht mehr verpflichtet, er sah auf seine Uhr, es war elf. Aber konnte denn wirklich gepredigt werden? Konnte K. allein die Gemeinde darstellen? Wie, wenn er ein Fremder gewesen w?re, der nur die Kirche besichtigen wollte? Im Grunde war er auch nichts anderes. Es war unsinnig, daran zu denken, da? gepredigt werden sollte, jetzt um elf Uhr, an einem Werktag, bei gr??lichstem Wetter. Der Geistliche – ein Geistlicher war es zweifellos, ein junger Mann mit glattem, dunklem Gesicht – ging offenbar nur hinauf, um die Lampe zu l?schen, die irrt?mlich angez?ndet worden war.
Es war aber nicht so, der Geistliche pr?fte vielmehr das Licht und schraubte es noch ein wenig auf, dann drehte er sich langsam der Br?stung zu, die er vom an der kantigen Einfassung mit beiden H?nden erfa?te. So stand er eine Zeitlang und blickte, ohne den Kopf zu r?hren, umher. K. war ein gro?es St?ck zur?ckgewichen und lehnte mit den Ellbogen an der vordersten Kirchenbank. Mit unsicheren Augen sah er irgendwo, ohne den Ort genau zu bestimmen, den Kirchendiener, mit krummem R?cken, friedlich, wie nach beendeter Aufgabe, sich zusammenkauern. Was f?r eine Stille herrschte jetzt im Dom! Aber K. mu?te sie st?ren, er hatte nicht die Absicht, hierzubleiben; wenn es die Pflicht des Geistlichen war, zu einer bestimmten Stunde, ohne R?cksicht auf die Umst?nde, zu predigen, so mochte er es tun, es w?rde auch ohne K.s Beistand gelingen, ebenso wie die Anwesenheit K.s die Wirkung gewi? nicht steigem w?rde. Langsam setzte sich also K. in Gang, tastete sich auf den Fu?spitzen an der Bank hin, kam dann in den breiten Hauptweg und ging dort ganz ungest?rt, nur da? der steinerne Boden unter dem leisesten Schritt erklang und die W?lbungen schwach, aber ununterbrochen, in vielfachem, gesetzm??igem Fortschreiten davon widerhallten. K. f?hlte sich ein wenig verlassen, als er dort, vom Geistlichen vielleicht beobachtet, zwischen den leeren B?nken allein hindurchging, auch schien ihm die Gr??e des Doms gerade an der Grenze des f?r Menschen noch Ertr?glichen zu liegen. Als er zu seinem fr?heren Platz kam, haschte er f?rmlich, ohne weiteren Aufenthalt, nach dem dort liegengelassenen Album und nahm es an sich. Fast hatte er schon das Gebiet der B?nke verlassen und n?herte sich dem freien Raum, der zwischen ihnen und dem Ausgang lag, als er zum erstenmal die Stimme des Geistlichen h?rte. Eine m?chtige, ge?bte Stimme. Wie durchdrang sie den zu ihrer Aufnahme bereiten Dom! Es war aber nicht die Gemeinde, die der Geistliche anrief, es war ganz eindeutig, und es gab keine Ausfl?chte, er rief: »Josef K.!«
K. stockte und sah vor sich auf den Boden. Vorl?ufig war er noch frei, er konnte noch weitergehen und durch eine der drei kleinen, dunklen Holzt?ren, die nicht weit vor ihm waren, sich davonmachen. Es w?rde eben bedeuten, da? er nicht verstanden hatte, oder da? er zwar verstanden hatte, sich aber darum nicht k?
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