cksichtigen? Niemand und niemals. Ganz unbekannt war ja sein Proze? nicht, wenn es auch noch nicht ganz klar war, wer davon wu?te und wieviel. Bis zum Direktor-Stellvertreter aber war das Ger?cht hoffentlich noch nicht gedrungen, sonst h?tte man schon deutlich sehen m?ssen, wie er es ohne jede Kollegialit?t und Menschlichkeit gegen K. ausn?tzen w?rde. Und der Direktor? Gewi?, er war K. gut gesinnt, und er h?tte wahrscheinlich, sobald er vom Proze? erfahren h?tte, soweit es an ihm lag, manche Erleichterungen f?r K. schaffen wollen, aber er w?re damit gewi? nicht durchgedrungen, denn er unterlag jetzt, da das Gegengewicht, das K. bisher gebildet hatte, schw?cher zu werden anfing, immer mehr dem Einflu? des Direktor-Stellvertreters, der au?erdem auch den leidenden Zustand des Direktors zur St?rkung der eigenen Macht ausn?tzte. Was hatte also K. zu erhoffen? Vielleicht schw?chte er durch solche ?berlegungen seine Widerstandskraft, aber es war doch auch notwendig, sich selbst nicht zu t?uschen und alles so klar zu sehen, als es augenblicklich m?glich war.
Ohne besonderen Grund, nur um vorl?ufig noch nicht zum Schreibtisch zur?ckkehren zu m?ssen, ?ffnete er das Fenster. Es lie? sich nur schwer ?ffnen, er mu?te mit beiden H?nden die Klinke drehen. Dann zog durch das Fenster in dessen ganzer Breite und H?he der mit Rauch vermischte Nebel in das Zimmer und f?llte es mit einem leichten Brandgeruch. Auch einige Schneeflocken wurden hereingeweht. »Ein h??licher Herbst«, sagte hinter K. der Fabrikant, der vom Direktor-Stellvertreter kommend unbemerkt ins Zimmer getreten war. K. nickte und sah unruhig auf die Aktentasche des Fabrikanten, aus der dieser nun wohl die Papiere herausziehen w?rde, um K. das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Direktor-Stellvertreter mitzuteilen. Der Fabrikant aber folgte K.s Blick, klopfte auf seine Tasche und sagte, ohne sie zu ?ffnen: »Sie wollen h?ren, wie es ausgefallen ist. Ich trage schon fast den Gesch?ftsabschlu? in der Tasche. Ein reizender Mensch, Ihr Direktor-Stellvertreter, aber durchaus nicht ungef?hrlich.« Er lachte, sch?ttelte K.s Hand und wollte auch ihn zum Lachen bringen. Aber K. schien es nun wieder verd?chtig, da? ihm der Fabrikant die Papier nicht zeigen wollte, und er fand an der Bemerkung des Fabrikanten nichts zum Lachen. »Herr Prokurist«, sagte der Fabrikant, »Sie leiden wohl unter dem Wetter? Sie sehen heute so bedr?ckt aus.« »Ja«, sagte K. und griff mit der Hand an die Schl?fe, »Kopfschmerzen, Familiensorgen.« »Sehr richtig«, sagte der Fabrikant, der ein eiliger Mensch war und niemanden ruhig anh?ren konnte, »jeder hat sein Kreuz zu tragen.« Unwillk?rlich hatte K. einen Schritt gegen die T?r gemacht, als wolle er den Fabrikanten hinausbegleiten, dieser aber sagte: »Ich h?tte, Herr Prokurist, noch eine kleine Mitteilung f?r Sie. Ich f?rchte sehr, da? ich Sie gerade heute damit vielleicht bel?stige, aber ich war schon zweimal in der letzten Zeit bei Ihnen und habe es jedesmal vergessen. Schiebe ich es aber noch weiterhin auf, verliert es wahrscheinlich vollst?ndig seinen Zweck. Das w?re aber schade, denn im Grunde ist meine Mitteilung vielleicht doch nicht wertlos.« Ehe K. Zeit hatte zu antworten, trat der Fabrikant nahe an ihn heran, klopfte mit dem Fingerkn?chel leicht an seine Brust und sagte leise: »Sie haben einen Proze?, nicht wahr?« K. trat zur?ck und rief sofort: »Das hat Ihnen der Direktor-Stellvertreter gesagt!« »Ach nein«, sagte der Fabrikant, »woher sollte denn der Direktor-Stellvertreter es wissen?« »Und Sie?« fragte K. schon viel gefa?ter. »Ich erfahre hie und da etwas von dem Gericht«, sagte der Fabrikant, »das betrifft eben die Mitteilung, die ich Ihnen machen wollte.« »So viel Leute sind mit dem Gericht in Verbindung!« sagte K. mit gesenktem Kopf und f?hrte den Fabrikanten zum Schreibtisch. Sie setzten sich wieder wie fr?her und der Fabrikant sagte: »Es ist leider nicht sehr viel, was ich Ihnen mitteilen kann. Aber in solchen Dingen soll man nicht das geringste vernachl?ssigen. Au?erdem dr?ngt es mich aber, Ihnen irgendwie zu helfen, und sei meine Hilfe noch so bescheiden. Wir waren doch bisher gute Gesch?ftsfreunde, nicht? Nun also.« K. wollte sich wegen seines Verhaltens bei der heutigen Besprechung entschuldigen, aber der Fabrikant duldete keine Unterbrechung, schob die Aktentasche hoch unter die Achsel, um zu zeigen, da? er Eile habe, und fuhr fort: »Von Ihrem Proze? wei? ich durch einen gewissen Titorelli. Es ist ein Maler, Titorelli ist nur sein K?nstlername, seinen wirklichen Namen kenne ich gar nicht einmal. Er kommt schon seit Jahren von Zeit zu Zeit in mein B?ro und bringt kleine Bilder mit, f?r die ich ihm – er ist fast ein Bettler – immer eine Art Almosen gebe. Es sind ?brigens h?bsche Bilder, Heidelandschaften und dergleichen. Diese Verk?ufe – wir hatten uns schon beide daran gew?hnt – gingen ganz glatt vor sich. Einmal aber wiederholten sich diese Besuche doch zu oft, ich machte ihm Vorw?rfe, wir kamen ins Gespr?ch, es interessierte mich, wie er sich allein durch Malen erhalten k?nne, und ich erfuhr nun zu meinem Staunen, da? seine Haupteinnahmequelle das Portr?tmalen sei. ›Er arbeite f?r das Gericht‹, sagte er. ›F?r welches Gericht‹? fragte ich. Und nun erz?hlte er mir von dem Gericht. Sie werden sich wohl am besten vorstellen k?nnen, wie erstaunt ich ?ber diese Erz?hlungen war. Seitdem h?re ich bei jedem seiner Besuche irgendwelche Neuigkeiten vom Gericht und bekomme so allm?hlich einen gewissen Einblick in die Sache. Allerdings ist Titorelli geschw?tzig, und ich mu? ihn oft abwehren, nicht nur, weil er gewi? auch l?gt, sondern vor allem, weil ein Gesch?ftsmann wie ich, der unter den eigenen Gesch?ftssorgen fast zusammenbricht, sich nicht noch viel um fremde Dinge k?mmern kann. Aber das nur nebenbei. Vielleicht – so dachte ich jetzt – kann Ihnen Titorelli ein wenig behilflich sein, er kennt viele Richter, und wenn er selbst auch keinen gro?en Einflu? haben sollte, so kann er Ihnen doch Ratschl?ge geben, wie man verschiedenen einflu?reichen Leuten beikommen kann. Und wenn auch diese Ratschl?ge an und f?r sich nicht entscheidend sein sollten, so werden sie doch, meiner Meinung nach, in Ihrem Besitz von gro?er Bedeutung sein. Sie sind ja fast ein Advokat. Ich pflege immer zu sagen: Prokurist K. ist fast ein Advokat. Oh, ich habe keine Sorgen wegen Ihres Prozesses. Wollen Sie nun aber zu Titorelli gehen? Auf meine Empfehlung hin wird er gewi? alles tun, was ihm m?glich ist. Ich denke wirklich, Sie sollten hingehen. Es mu? nat?rlich nicht heute sein, einmal, gelegentlich. Allerdings sind Sie – das will ich noch sagen – dadurch, da? ich Ihnen diesen Rat gebe, nicht im geringsten verpflichtet, auch wirklich zu Titorelli hinzugehen. Nein, wenn Sie Titorelli entbehren zu k?nnen glauben, ist es gewi? besser, ihn ganz beiseite zu lassen. Vielleicht haben Sie schon einen ganz genauen Plan, und Titorelli k?nnte ihn st?ren. Nein, dann gehen Sie nat?rlich auf keinen Fall hin! Es kostet gewi? auch ?berwindung, sich von einem solchen Burschen Ratschl?ge geben zu lassen. Nun, wie Sie wollen. Hier ist das Empfehlungsschreiben und hier die Adresse.«
Entt?uscht nahm K. den Brief und steckte ihn in die Tasche. Selbst im g?nstigsten Falle war der Vorteil, den ihm die Empfehlung bringen konnte, unverh?ltnism??ig kleiner als der Schaden, der darin lag, da? der Fabrikant von seinem Proze? wu?te und da? der Maler die Nachricht weiterverbreitete. Er konnte sich kaum dazu zwingen, dem Fabrikanten, der schon auf dem Weg zur T?r war, mit ein paar Worten zu danken. »Ich werde hingehen«, sagte er, als er sich bei der T?r vom Fabrikanten verabschiedete, »oder ihm, da ich jetzt sehr besch?ftigt bin, schreiben, er m?ge einmal zu mir ins B?ro kommen.« »Ich wu?te ja«, sagte der Fabrikant, »da? Sie den besten Ausweg finden w?rden. Allerdings dachte ich, da? Sie es lieber vermeiden wollen, Leute wie diesen Titorelli in die Bank einzuladen, um mit ihm hier ?ber den Proze? zu sprechen. Es ist auch nicht immer vorteilhaft, Briefe an solche Leute aus der Hand zu geben. Aber Sie haben gewi? alles durchgedacht und wissen, was Sie tun d?rfen.« K. nickte und begleitete den Fabrikanten noch durch das Vorzimmer. Aber trotz ?u?erlicher Ruhe war er ?ber sich sehr erschrocken; da? er Titorelli schreiben w?rde, hatte er eigentlich nur gesagt, um dem Fabrikanten irgendwie zu zeigen, da? er die Empfehlung zu sch?tzen wisse und die M?glichkeiten, mit Titorelli zusammenzukommen, sofort ?berlege, aber wenn er Titorellis Beistand f?r wertvoll angesehen h?tte, h?tte er auch nicht gez?gert, ihm wirklich zu schreiben. Die Gefahren aber, die das zur Folge haben k?nnte, hatte er erst durch die Bemerkung des Fabrikanten erkannt. Konnte er sich auf seinen eigenen Verstand tats?chlich schon so wenig verlassen? Wenn es m?glich war, da? er einen fragw?rdigen Menschen durch einen deutlichen Brief in die Bank einlud, um von ihm, nur durch eine T?r vom Direktor-Stellvertreter getrennt, Ratschl?ge wegen seines Prozesses zu erbitten, war es dann nicht m?glich und sogar sehr wahrscheinlich, da? er auch andere Gefahren ?bersah oder in sie hineinrannte? Nicht immer stand jemand neben ihm, um ihn zu warnen. Und gerade jetzt, wo er mit gesammelten Kr?ften auftreten sollte, mu?ten derartige, ihm bisher fremde Zweifel an seiner eigenen Wachsamkeit auftreten! Sollten die Schwierigkeiten, die er bei Ausf?hrung seiner B?roarbeit f?hlte, nun auch im Proze? beginnen? Jetzt allerdings begriff er es gar nicht mehr, wie es m?glich gewesen war, da? er an Titorelli hatte schreiben und ihn in die Bank einladen wollen.
Er sch?ttelte noch den Kopf dar?ber, als der Diener an seine Seite trat und ihn auf drei Herren aufmerksam machte, die hier im Vorzimmer auf einer Bank sa?en. Sie warteten schon lange darauf, zu K. vorgelassen zu werden. Jetzt, da der Diener mit K. sprach, waren sie aufgestanden, und jeder wollte eine g?nstige Gelegenheit ausn?tzen, um sich vor den anderen an K. heranzumachen. Da man von seiten der Bank so r?cksichtslos war, sie hier im Wartezimmer ihre Zeit verlieren zu lassen, wollten auch sie keine R?cksicht mehr ?ben. »Herr Prokurist«, sagte schon der eine. Aber K. hatte sich vom Diener den Winterrock bringen lassen und sagte, w?hrend er ihn mit Hilfe des Dieners anzog, allen dreien: »Verzeihen Sie, meine Herren, ich habe augenblicklich leider keine Zeit, Sie zu empfangen. Ich bitte Sie sehr um Verzeihung, aber ich habe einen dringenden Gesch?ftsgang zu erledigen und mu? sofort weggehen. Sie haben ja selbst gesehen, wie lange ich jetzt aufgehalten wurde. W?ren Sie so freundlich, morgen oder wann immer wiederzukommen? Oder wollen wir die Sachen vielleicht telephonisch besprechen? Oder wollen Sie mir vielleicht jetzt kurz sagen, worum es sich handelt, und ich gebe Ihnen dann eine ausf?hrliche schriftliche Antwort. Am besten w?re es allerdings, Sie k?men n?chstens.« Diese Vorschl?ge K.s brachten die Herren, die nun vollst?ndig nutzlos gewartet haben sollten, in solches Staunen, da? sie einander stumm ansahen. »Wir sind also einig?« fragte K., der sich nach dem Diener umgewendet hatte, der ihm nun auch den Hut brachte. Durch die offene T?r von K.s Zimmer sah man, wie sich drau?en der Schneefall sehr verst?rkt hatte. K. schlug daher den Mantelkragen in die H?he und kn?pfte ihn hoch unter dem Halse zu.
Da trat gerade aus dem Nebenzimmer der Direktor-Stellvertreter, sah l?chelnd K. im Winterrock mit den Herren verhandeln und fragte: »Sie gehen jetzt weg, Herr Prokurist?« »Ja«, sagte K. und richtete sich auf, »ich habe einen Gesch?ftsgang zu machen.« Aber der Direktor-Stellvertreter hatte sich schon den Herren zugewendet. »Und die Herren?« fragte er. »Ich glaube, sie warten schon lange.« »Wir haben uns schon geeinigt«, sagte K. Aber nun lie?en sich die Herren nicht mehr halten, umringten K. und erkl?rten, da? sie nicht stundenlang gewartet h?tten, wenn ihre Angelegenheiten nicht wichtig w?ren und nicht jetzt, und zwar ausf?hrlich und unter vier Augen, besprochen werden m??ten. Der Direktor-Stellvertreter h?rte ihnen ein Weilchen zu, betrachtete auch K., der den Hut in der Hand hielt und ihn stellenweise von Staub reinigte, und sagte dann: »Meine Herren, es gibt ja einen sehr einfachen Ausweg. Wenn Sie mit mir vorlieb nehmen wollen, ?bernehme ich sehr gerne die Verhandlungen statt des Herren Prokuristen. Ihre Angelegenheiten m?ssen nat?rlich sofort besprochen werden. Wir sind Gesch?ftsleute wie Sie und wissen die Zeit von Gesch?ftsleuten richtig zu bewerten. Wollen Sie hier eintreten?« Und er ?ffnete die T?r, die zu dem Vorzimmer seines B?ros f?hrte.
Wie sich doch der Direktor-Stellvertreter alles anzueignen verstand, was K. jetzt notgedrungen aufgeben mu?te! Gab aber K. nicht mehr auf, als unbedingt n?tig war? W?hrend er mit unbestimmten und, wie er sich eingestehen mu?te, sehr geringen Hoffnungen zu einem unbekannten Maler lief, erlitt hier sein Ansehen eine unheilbare Sch?
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Ohne besonderen Grund, nur um vorl?ufig noch nicht zum Schreibtisch zur?ckkehren zu m?ssen, ?ffnete er das Fenster. Es lie? sich nur schwer ?ffnen, er mu?te mit beiden H?nden die Klinke drehen. Dann zog durch das Fenster in dessen ganzer Breite und H?he der mit Rauch vermischte Nebel in das Zimmer und f?llte es mit einem leichten Brandgeruch. Auch einige Schneeflocken wurden hereingeweht. »Ein h??licher Herbst«, sagte hinter K. der Fabrikant, der vom Direktor-Stellvertreter kommend unbemerkt ins Zimmer getreten war. K. nickte und sah unruhig auf die Aktentasche des Fabrikanten, aus der dieser nun wohl die Papiere herausziehen w?rde, um K. das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Direktor-Stellvertreter mitzuteilen. Der Fabrikant aber folgte K.s Blick, klopfte auf seine Tasche und sagte, ohne sie zu ?ffnen: »Sie wollen h?ren, wie es ausgefallen ist. Ich trage schon fast den Gesch?ftsabschlu? in der Tasche. Ein reizender Mensch, Ihr Direktor-Stellvertreter, aber durchaus nicht ungef?hrlich.« Er lachte, sch?ttelte K.s Hand und wollte auch ihn zum Lachen bringen. Aber K. schien es nun wieder verd?chtig, da? ihm der Fabrikant die Papier nicht zeigen wollte, und er fand an der Bemerkung des Fabrikanten nichts zum Lachen. »Herr Prokurist«, sagte der Fabrikant, »Sie leiden wohl unter dem Wetter? Sie sehen heute so bedr?ckt aus.« »Ja«, sagte K. und griff mit der Hand an die Schl?fe, »Kopfschmerzen, Familiensorgen.« »Sehr richtig«, sagte der Fabrikant, der ein eiliger Mensch war und niemanden ruhig anh?ren konnte, »jeder hat sein Kreuz zu tragen.« Unwillk?rlich hatte K. einen Schritt gegen die T?r gemacht, als wolle er den Fabrikanten hinausbegleiten, dieser aber sagte: »Ich h?tte, Herr Prokurist, noch eine kleine Mitteilung f?r Sie. Ich f?rchte sehr, da? ich Sie gerade heute damit vielleicht bel?stige, aber ich war schon zweimal in der letzten Zeit bei Ihnen und habe es jedesmal vergessen. Schiebe ich es aber noch weiterhin auf, verliert es wahrscheinlich vollst?ndig seinen Zweck. Das w?re aber schade, denn im Grunde ist meine Mitteilung vielleicht doch nicht wertlos.« Ehe K. Zeit hatte zu antworten, trat der Fabrikant nahe an ihn heran, klopfte mit dem Fingerkn?chel leicht an seine Brust und sagte leise: »Sie haben einen Proze?, nicht wahr?« K. trat zur?ck und rief sofort: »Das hat Ihnen der Direktor-Stellvertreter gesagt!« »Ach nein«, sagte der Fabrikant, »woher sollte denn der Direktor-Stellvertreter es wissen?« »Und Sie?« fragte K. schon viel gefa?ter. »Ich erfahre hie und da etwas von dem Gericht«, sagte der Fabrikant, »das betrifft eben die Mitteilung, die ich Ihnen machen wollte.« »So viel Leute sind mit dem Gericht in Verbindung!« sagte K. mit gesenktem Kopf und f?hrte den Fabrikanten zum Schreibtisch. Sie setzten sich wieder wie fr?her und der Fabrikant sagte: »Es ist leider nicht sehr viel, was ich Ihnen mitteilen kann. Aber in solchen Dingen soll man nicht das geringste vernachl?ssigen. Au?erdem dr?ngt es mich aber, Ihnen irgendwie zu helfen, und sei meine Hilfe noch so bescheiden. Wir waren doch bisher gute Gesch?ftsfreunde, nicht? Nun also.« K. wollte sich wegen seines Verhaltens bei der heutigen Besprechung entschuldigen, aber der Fabrikant duldete keine Unterbrechung, schob die Aktentasche hoch unter die Achsel, um zu zeigen, da? er Eile habe, und fuhr fort: »Von Ihrem Proze? wei? ich durch einen gewissen Titorelli. Es ist ein Maler, Titorelli ist nur sein K?nstlername, seinen wirklichen Namen kenne ich gar nicht einmal. Er kommt schon seit Jahren von Zeit zu Zeit in mein B?ro und bringt kleine Bilder mit, f?r die ich ihm – er ist fast ein Bettler – immer eine Art Almosen gebe. Es sind ?brigens h?bsche Bilder, Heidelandschaften und dergleichen. Diese Verk?ufe – wir hatten uns schon beide daran gew?hnt – gingen ganz glatt vor sich. Einmal aber wiederholten sich diese Besuche doch zu oft, ich machte ihm Vorw?rfe, wir kamen ins Gespr?ch, es interessierte mich, wie er sich allein durch Malen erhalten k?nne, und ich erfuhr nun zu meinem Staunen, da? seine Haupteinnahmequelle das Portr?tmalen sei. ›Er arbeite f?r das Gericht‹, sagte er. ›F?r welches Gericht‹? fragte ich. Und nun erz?hlte er mir von dem Gericht. Sie werden sich wohl am besten vorstellen k?nnen, wie erstaunt ich ?ber diese Erz?hlungen war. Seitdem h?re ich bei jedem seiner Besuche irgendwelche Neuigkeiten vom Gericht und bekomme so allm?hlich einen gewissen Einblick in die Sache. Allerdings ist Titorelli geschw?tzig, und ich mu? ihn oft abwehren, nicht nur, weil er gewi? auch l?gt, sondern vor allem, weil ein Gesch?ftsmann wie ich, der unter den eigenen Gesch?ftssorgen fast zusammenbricht, sich nicht noch viel um fremde Dinge k?mmern kann. Aber das nur nebenbei. Vielleicht – so dachte ich jetzt – kann Ihnen Titorelli ein wenig behilflich sein, er kennt viele Richter, und wenn er selbst auch keinen gro?en Einflu? haben sollte, so kann er Ihnen doch Ratschl?ge geben, wie man verschiedenen einflu?reichen Leuten beikommen kann. Und wenn auch diese Ratschl?ge an und f?r sich nicht entscheidend sein sollten, so werden sie doch, meiner Meinung nach, in Ihrem Besitz von gro?er Bedeutung sein. Sie sind ja fast ein Advokat. Ich pflege immer zu sagen: Prokurist K. ist fast ein Advokat. Oh, ich habe keine Sorgen wegen Ihres Prozesses. Wollen Sie nun aber zu Titorelli gehen? Auf meine Empfehlung hin wird er gewi? alles tun, was ihm m?glich ist. Ich denke wirklich, Sie sollten hingehen. Es mu? nat?rlich nicht heute sein, einmal, gelegentlich. Allerdings sind Sie – das will ich noch sagen – dadurch, da? ich Ihnen diesen Rat gebe, nicht im geringsten verpflichtet, auch wirklich zu Titorelli hinzugehen. Nein, wenn Sie Titorelli entbehren zu k?nnen glauben, ist es gewi? besser, ihn ganz beiseite zu lassen. Vielleicht haben Sie schon einen ganz genauen Plan, und Titorelli k?nnte ihn st?ren. Nein, dann gehen Sie nat?rlich auf keinen Fall hin! Es kostet gewi? auch ?berwindung, sich von einem solchen Burschen Ratschl?ge geben zu lassen. Nun, wie Sie wollen. Hier ist das Empfehlungsschreiben und hier die Adresse.«
Entt?uscht nahm K. den Brief und steckte ihn in die Tasche. Selbst im g?nstigsten Falle war der Vorteil, den ihm die Empfehlung bringen konnte, unverh?ltnism??ig kleiner als der Schaden, der darin lag, da? der Fabrikant von seinem Proze? wu?te und da? der Maler die Nachricht weiterverbreitete. Er konnte sich kaum dazu zwingen, dem Fabrikanten, der schon auf dem Weg zur T?r war, mit ein paar Worten zu danken. »Ich werde hingehen«, sagte er, als er sich bei der T?r vom Fabrikanten verabschiedete, »oder ihm, da ich jetzt sehr besch?ftigt bin, schreiben, er m?ge einmal zu mir ins B?ro kommen.« »Ich wu?te ja«, sagte der Fabrikant, »da? Sie den besten Ausweg finden w?rden. Allerdings dachte ich, da? Sie es lieber vermeiden wollen, Leute wie diesen Titorelli in die Bank einzuladen, um mit ihm hier ?ber den Proze? zu sprechen. Es ist auch nicht immer vorteilhaft, Briefe an solche Leute aus der Hand zu geben. Aber Sie haben gewi? alles durchgedacht und wissen, was Sie tun d?rfen.« K. nickte und begleitete den Fabrikanten noch durch das Vorzimmer. Aber trotz ?u?erlicher Ruhe war er ?ber sich sehr erschrocken; da? er Titorelli schreiben w?rde, hatte er eigentlich nur gesagt, um dem Fabrikanten irgendwie zu zeigen, da? er die Empfehlung zu sch?tzen wisse und die M?glichkeiten, mit Titorelli zusammenzukommen, sofort ?berlege, aber wenn er Titorellis Beistand f?r wertvoll angesehen h?tte, h?tte er auch nicht gez?gert, ihm wirklich zu schreiben. Die Gefahren aber, die das zur Folge haben k?nnte, hatte er erst durch die Bemerkung des Fabrikanten erkannt. Konnte er sich auf seinen eigenen Verstand tats?chlich schon so wenig verlassen? Wenn es m?glich war, da? er einen fragw?rdigen Menschen durch einen deutlichen Brief in die Bank einlud, um von ihm, nur durch eine T?r vom Direktor-Stellvertreter getrennt, Ratschl?ge wegen seines Prozesses zu erbitten, war es dann nicht m?glich und sogar sehr wahrscheinlich, da? er auch andere Gefahren ?bersah oder in sie hineinrannte? Nicht immer stand jemand neben ihm, um ihn zu warnen. Und gerade jetzt, wo er mit gesammelten Kr?ften auftreten sollte, mu?ten derartige, ihm bisher fremde Zweifel an seiner eigenen Wachsamkeit auftreten! Sollten die Schwierigkeiten, die er bei Ausf?hrung seiner B?roarbeit f?hlte, nun auch im Proze? beginnen? Jetzt allerdings begriff er es gar nicht mehr, wie es m?glich gewesen war, da? er an Titorelli hatte schreiben und ihn in die Bank einladen wollen.
Er sch?ttelte noch den Kopf dar?ber, als der Diener an seine Seite trat und ihn auf drei Herren aufmerksam machte, die hier im Vorzimmer auf einer Bank sa?en. Sie warteten schon lange darauf, zu K. vorgelassen zu werden. Jetzt, da der Diener mit K. sprach, waren sie aufgestanden, und jeder wollte eine g?nstige Gelegenheit ausn?tzen, um sich vor den anderen an K. heranzumachen. Da man von seiten der Bank so r?cksichtslos war, sie hier im Wartezimmer ihre Zeit verlieren zu lassen, wollten auch sie keine R?cksicht mehr ?ben. »Herr Prokurist«, sagte schon der eine. Aber K. hatte sich vom Diener den Winterrock bringen lassen und sagte, w?hrend er ihn mit Hilfe des Dieners anzog, allen dreien: »Verzeihen Sie, meine Herren, ich habe augenblicklich leider keine Zeit, Sie zu empfangen. Ich bitte Sie sehr um Verzeihung, aber ich habe einen dringenden Gesch?ftsgang zu erledigen und mu? sofort weggehen. Sie haben ja selbst gesehen, wie lange ich jetzt aufgehalten wurde. W?ren Sie so freundlich, morgen oder wann immer wiederzukommen? Oder wollen wir die Sachen vielleicht telephonisch besprechen? Oder wollen Sie mir vielleicht jetzt kurz sagen, worum es sich handelt, und ich gebe Ihnen dann eine ausf?hrliche schriftliche Antwort. Am besten w?re es allerdings, Sie k?men n?chstens.« Diese Vorschl?ge K.s brachten die Herren, die nun vollst?ndig nutzlos gewartet haben sollten, in solches Staunen, da? sie einander stumm ansahen. »Wir sind also einig?« fragte K., der sich nach dem Diener umgewendet hatte, der ihm nun auch den Hut brachte. Durch die offene T?r von K.s Zimmer sah man, wie sich drau?en der Schneefall sehr verst?rkt hatte. K. schlug daher den Mantelkragen in die H?he und kn?pfte ihn hoch unter dem Halse zu.
Da trat gerade aus dem Nebenzimmer der Direktor-Stellvertreter, sah l?chelnd K. im Winterrock mit den Herren verhandeln und fragte: »Sie gehen jetzt weg, Herr Prokurist?« »Ja«, sagte K. und richtete sich auf, »ich habe einen Gesch?ftsgang zu machen.« Aber der Direktor-Stellvertreter hatte sich schon den Herren zugewendet. »Und die Herren?« fragte er. »Ich glaube, sie warten schon lange.« »Wir haben uns schon geeinigt«, sagte K. Aber nun lie?en sich die Herren nicht mehr halten, umringten K. und erkl?rten, da? sie nicht stundenlang gewartet h?tten, wenn ihre Angelegenheiten nicht wichtig w?ren und nicht jetzt, und zwar ausf?hrlich und unter vier Augen, besprochen werden m??ten. Der Direktor-Stellvertreter h?rte ihnen ein Weilchen zu, betrachtete auch K., der den Hut in der Hand hielt und ihn stellenweise von Staub reinigte, und sagte dann: »Meine Herren, es gibt ja einen sehr einfachen Ausweg. Wenn Sie mit mir vorlieb nehmen wollen, ?bernehme ich sehr gerne die Verhandlungen statt des Herren Prokuristen. Ihre Angelegenheiten m?ssen nat?rlich sofort besprochen werden. Wir sind Gesch?ftsleute wie Sie und wissen die Zeit von Gesch?ftsleuten richtig zu bewerten. Wollen Sie hier eintreten?« Und er ?ffnete die T?r, die zu dem Vorzimmer seines B?ros f?hrte.
Wie sich doch der Direktor-Stellvertreter alles anzueignen verstand, was K. jetzt notgedrungen aufgeben mu?te! Gab aber K. nicht mehr auf, als unbedingt n?tig war? W?hrend er mit unbestimmten und, wie er sich eingestehen mu?te, sehr geringen Hoffnungen zu einem unbekannten Maler lief, erlitt hier sein Ansehen eine unheilbare Sch?
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