und stand auf, »du sprichst aber zu laut, lieber Onkel, der Diener steht wahrscheinlich an der T?r und horcht. Das ist mir unangenehm. Wir wollen lieber weggehen. Ich werde dir dann alle Fragen, so gut es geht, beantworten. Ich wei? sehr gut, da? ich der Familie Rechenschaft schuldig bin.« »Richtig!« schrie der Onkel, »sehr richtig, beeile dich nur, Josef, beeile dich!« »Ich mu? nur noch einige Auftr?ge geben«, sagte K. und berief telephonisch seinen Vertreter zu sich, der in wenigen Augenblicken eintrat. Der Onkel, in seiner Aufregung, zeigte ihm mit der Hand, da? K. ihn habe rufen lassen, woran auch sonst kein Zweifel gewesen w?re. K., der vor dem Schreibtisch stand, erkl?rte dem jungen Mann, der k?hl, aber aufmerksam zuh?rte, mit leiser Stimme unter Zuhilfenahme verschiedener Schriftst?cke, was in seiner Abwesenheit heute noch erledigt werden m?sse. Der Onkel st?rte, indem er zuerst mit gro?en Augen und nerv?sem Lippenbei?en dabeistand, ohne allerdings zuzuh?ren, aber der Anschein dessen war schon st?rend genug. Dann aber ging er im Zimmer auf und ab und blieb hie und da vor dem Fenster oder vor einem Bild stehen, wobei er immer in verschiedene Ausrufe ausbrach, wie: »Mir ist es vollst?ndig unbegreiflich!« oder »Jetzt sagt mir nur, was soll denn daraus werden!« Der junge Mann tat, als bemerke er nichts davon, h?rte ruhig K.s Auftr?ge bis zu Ende an, notierte sich auch einiges und ging, nachdem er sich vor K. wie auch vor dem Onkel verneigt hatte, der ihm aber gerade den R?cken zukehrte, aus dem Fenster sah und mit ausgestreckten H?nden die Vorh?nge zusammenkn?llte. Die T?r hatte sich noch kaum geschlossen, als der Onkel ausrief: »Endlich ist der Hampelmann weggegangen, jetzt k?nnen doch auch wir gehen. Endlich!« Es gab leider kein Mittel, den Onkel zu bewegen, in der Vorhalle, wo einige Beamte und Diener herumstanden und die gerade auch der Direktor-Stellvertreter kreuzte, die Fragen wegen des Prozesses zu unterlassen. »Also, Josef«, begann der Onkel, w?hrend er die Verbeugungen der Umstehenden durch leichtes Salutieren beantwortete, »jetzt sag mir offen, was es f?r ein Proze? ist.« K. machte einige nichtssagende Bemerkungen, lachte auch ein wenig, und erst auf der Treppe erkl?rte er dem Onkel, da? er vor den Leuten nicht habe offen reden wollen. »Richtig«, sagte der Onkel, »aber jetzt rede.« Mit geneigtem Kopf, eine Zigarre in kurzen, eiligen Z?gen rauchend, h?rte er zu. »Vor allem, Onkel«, sagte K., »handelt es sich gar nicht um einen Proze? vor dem gew?hnlichen Gericht.« »Das ist schlimm«, sagte der Onkel. »Wie?« sagte K. und sah den Onkel an. »Da? das schlimm ist, meine ich«, wiederholte der Onkel. Sie standen auf der Freitreppe, die zur Stra?e f?hrte; da der Portier zu horchen schien, zog K. den Onkel hinunter; der lebhafte Stra?enverkehr nahm sie auf. Der Onkel, der sich in K. eingeh?ngt hatte, fragte nicht mehr so dringend nach dem Proze?, sie gingen sogar eine Zeitlang schweigend weiter. »Wie ist es aber geschehen?« fragte endlich der Onkel, so pl?tzlich stehenbleibend, da? die hinter ihm gehenden Leute erschreckt auswichen. »Solche Dinge kommen doch nicht pl?tzlich, sie bereiten sich seit langem vor, es m?ssen Anzeichen dessen gewesen sein, warum hast du mir nicht geschrieben? Du wei?t, da? ich f?r dich alles tue, ich bin ja gewisserma?en noch dein Vormund und war bis heute stolz darauf. Ich werde dir nat?rlich auch jetzt noch helfen, nur ist es jetzt, wenn der Proze? schon im Gange ist, sehr schwer. Am besten w?re es jedenfalls, wenn du dir jetzt einen kleinen Urlaub nimmst und zu uns aufs Land kommst. Du bist auch ein wenig abgemagert, jetzt merke ich es. Auf dem Land wirst du dich kr?ftigen, das wird gut sein, es stehen dir ja gewi? Anstrengungen bevor. Au?erdem aber wirst du dadurch dem Gericht gewisserma?en entzogen sein. Hier haben sie alle m?glichen Machtmittel, die sie notwendigerweise automatisch auch dir gegen?ber anwenden; auf das Land m??ten sie aber erst Organe delegieren oder nur brieflich, telegraphisch, telephonisch auf dich einzuwirken suchen. Das schw?cht nat?rlich die Wirkung ab, befreit dich zwar nicht, aber l??t dich aufatmen.« »Sie k?nnten mir ja verbieten, wegzufahren«, sagte K., den die Rede des Onkels ein wenig in ihren Gedankengang gezogen hatte. »Ich glaube nicht, da? sie das tun werden«, sagte der Onkel nachdenklich, »so gro? ist der Verlust an Macht nicht, den sie durch deine Abreise erleiden.« »Ich dachte«, sagte K. und fa?te den Onkel unterm Arm, um ihn am Stehenbleiben hindern zu k?nnen, »da? du dem Ganzen noch weniger Bedeutung beimessen w?rdest als ich, und jetzt nimmst du es selbst so schwer.« »Josef«, rief der Onkel und wollte sich ihm entwinden, um stehenbleiben zu k?nnen, aber K. lie? ihn nicht, »du bist verwandelt, du hattest doch immer ein so richtiges Auffassungsverm?gen, und gerade jetzt verl??t es dich? Willst du denn den Proze? verlieren? Wei?t du, was das bedeutet? Das bedeutet, da? du einfach gestrichen wirst. Und da? die ganze Verwandtschaft mitgerissen oder wenigstens bis auf den Boden gedem?tigt wird. Josef, nimm dich doch zusammen. Deine Gleichg?ltigkeit bringt mich um den Verstand. Wenn man dich ansieht, m?chte man fast dem Sprichwort glauben: ›Einen solchen Proze? haben, hei?t ihn schon verloren haben‹.«
»Lieber Onkel«, sagte K., »die Aufregung ist so unn?tz, sie ist es auf deiner Seite und w?re es auch auf meiner. Mit Aufregung gewinnt man die Prozesse nicht, la? auch meine praktischen Erfahrungen ein wenig gelten, so wie ich deine, selbst wenn sie mich ?berraschen, immer und auch jetzt sehr achte. Da du sagst, da? auch die Familie durch den Proze? in Mitleidenschaft gezogen w?rde – was ich f?r meinen Teil durchaus nicht begreifen kann, das ist aber Nebensache –, so will dir gerne in allem folgen. Nur den Landaufenthalt halte ich selbst in deinem Sinne nicht f?r vorteilhaft, denn das w?rde Flucht und Schuldbewu?tsein bedeuten. ?berdies bin ich hier zwar mehr verfolgt, kann aber auch selbst die Sache mehr betreiben.« »Richtig«, sagte der Onkel in einem Ton, als k?men sie jetzt endlich einander n?her, »ich machte den Vorschlag nur, weil ich, wenn du hier bliebst, die Sache von deiner Gleichg?ltigkeit gef?hrdet sah und es f?r besser hielt, wenn ich statt deiner f?r dich arbeitete. Willst du es aber mit aller Kraft selbst betreiben, so ist es nat?rlich weit besser.« »Darin w?ren wir also einig«, sagte K. »Und hast du jetzt einen Vorschlag daf?r, was ich zun?chst machen soll?« »Ich mu? mir nat?rlich die Sache noch ?berlegen«, sagte der Onkel, »du mu?t bedenken, da? ich jetzt schon zwanzig Jahre fast ununterbrochen auf dem Lande bin, dabei l??t der Sp?rsinn in diesen Richtungen nach. Verschiedene wichtige Verbindungen mit Pers?nlichkeiten, die sich hier vielleicht besser auskennen, haben sich von selbst gelockert. Ich bin auf dem Land ein wenig verlassen, das wei?t du ja. Selbst merkt man es eigentlich erst bei solchen Gelegenheiten. Zum Teil kam mir deine Sache auch unerwartet, wenn ich auch merkw?rdigerweise nach Ernas Brief schon etwas Derartiges ahnte und es heute bei deinem Anblick fast mit Bestimmtheit wu?te. Aber das ist gleichg?ltig, das Wichtigste ist jetzt, keine Zeit zu verlieren.« Schon w?hrend seiner Rede hatte er, auf den Fu?spitzen stehend, einem Automobil gewinkt und zog jetzt, w?hrend er gleichzeitig dem Wagenlenker eine Adresse zurief, K. hinter sich in den Wagen. »Wir fahren jetzt zum Advokaten Huld«, sagte er, »er war mein Schulkollege. Du kennst den Namen gewi? auch? Nicht? Das ist aber merkw?rdig. Er hat doch als Verteidiger und Armenadvokat einen bedeutenden Ruf. Ich aber habe besonders zu ihm als Menschen gro?es Vertrauen.« »Mir ist alles recht, was du unternimmst«, sagte K., obwohl ihm die eilige und dringliche Art, mit der der Onkel die Angelegenheit behandelte, Unbehagen verursachte. Es war nicht sehr erfreulich, als Angeklagter zu einem Armenadvokaten zu fahren. »Ich wu?te nicht«, sagte er, »da? man in einer solchen Sache auch einen Advokaten zuziehen k?nne.« »Aber nat?rlich«, sagte der Onkel, »das ist ja selbstverst?ndlich. Warum denn nicht? Und nun erz?hle mir, damit ich ?ber die Sache genau unterrichtet bin, alles, was bisher geschehen ist.« K. begann sofort zu erz?hlen, ohne irgend etwas zu verschweigen, seine vollst?ndige Offenheit war der einzige Protest, den er sich gegen des Onkels Ansicht, der Proze? sei eine gro?e Schande, erlauben konnte. Fr?ulein B?rstners Namen erw?hnte er nur einmal und fl?chtig, aber das beeintr?chtigte nicht die Offenheit, denn Fr?ulein B?rstner stand mit dem Proze? in keiner Verbindung. W?hrend er erz?hlte, sah er aus dem Fenster und beobachtete, wie sie sich gerade jener Vorstadt n?herten, in der die Gerichtskanzleien waren, er machte den Onkel darauf aufmerksam, der aber das Zusammentreffen nicht besonders auffallend fand. Der Wagen hielt vor einem dunklen Haus. Der Onkel l?utete gleich im Parterre bei der ersten T?r; w?hrend sie warteten, fletschte er l?chelnd seine gro?en Z?hne und fl?sterte: »Acht Uhr, eine ungew?hnliche Zeit f?r Parteienbesuche. Huld nimmt es mir aber nicht ?bel.« Im Guckfenster der T?r erschienen zwei gro?e, schwarze Augen, sahen ein Weilchen die zwei G?ste an und verschwanden; die T?r ?ffnete sich aber nicht. Der Onkel und K. best?tigten einander gegenseitig die Tatsache, die zwei Augen gesehen zu haben. »Ein neues Stubenm?dchen, das sich vor Fremden f?rchtet«, sagte der Onkel und klopfte nochmals. Wieder erschienen die Augen, man konnte sie jetzt fast f?r traurig halten, vielleicht war das aber auch nur eine T?uschung, hervorgerufen durch die offene Gasflamme, die nahe ?ber den K?pfen stark zischend brannte, aber wenig Licht gab. »?ffnen Sie«, rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die T?r, »es sind Freunde des Herrn Advokaten!« »Der Herr Advokat ist krank«, fl?sterte es hinter ihnen. In einer T?r am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit ?u?erst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens w?tend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: »Krank? Sie sagen, er ist krank?« und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. »Man hat schon ge?ffnet«, sagte der Herr, zeigte auf die T?r des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die T?r war wirklich ge?ffnet worden, ein junges M?dchen – K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgew?lzten Augen wieder – stand in langer, wei?er Sch?rze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. »N?chstens ?ffnen Sie fr?her!« sagte der Onkel statt einer Begr??ung, w?hrend das M?dchen einen kleinen Knicks machte. »Komm, Josef«, sagte er dann zu K., der sich langsam an dem M?dchen vor?berschob. »Der Herr Advokat ist krank«, sagte das M?dchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine T?r zueilte. K. staunte das M?dchen noch an, w?hrend es sich schon umgedreht hatte, um die Wohnungst?r wieder zu versperren, es hatte ein puppenf?rmiges gerundetes Gesicht, nicht nur die bleichen Wangen und das Kinn verliefen rund, auch die Schl?fen und die Stirnr?nder. »Josef!« rief der Onkel wieder, und das M?dchen fragte er: »Es ist das Herzleiden?« »Ich glaube wohl«, sagte das M?dchen, es hatte Zeit gefunden, mit der Kerze voranzugehen und die Zimmert?r zu ?ffnen. In einem Winkel des Zimmers, wohin das Kerzenlicht noch nicht drang, erhob sich im Bett ein Gesicht mit langem Bart. »Leni, wer kommt denn?« fragte der Advokat, der, durch die Kerze geblendet, die G?ste nicht erkannte. »Albert, dein alter Freund ist es«, sagte der Onkel. »Ach, Albert«, sagte der Advokat und lie? sich auf die Kissen zur?ckfallen, als bed?rfe es diesem Besuch gegen?ber keiner Verstellung. »Steht es wirklich so schlecht?« fragte der Onkel und setzte sich auf den Bettrand. »Ich glaube es nicht. Es ist ein Anfall deines Herzleidens und wird vor?bergehen wie die fr?heren.« »M?glich«, sagte der Advokat leise, »es ist aber ?rger, als es jemals gewesen ist. Ich atme schwer, schlafe gar nicht und verliere t?glich an Kraft.« »So«, sagte der Onkel und dr?ckte den Panamahut mit seiner gro?en Hand fest aufs Knie. »Das sind schlechte Nachrichten. Hast du ?brigens die richtige Pflege? Es ist auch so traurig hier, so dunkel. Es ist schon lange her, seit ich zum letztenmal hier war, damals schien es mir freundlicher. Auch dein kleines Fr?ulein hier scheint nicht sehr lustig, oder sie verstellt sich.« Das M?dchen stand noch immer mit der Kerze nahe bei der T?r; soweit ihr unbestimmter Blick erkennen lie?, sah sie eher K. an als den Onkel, selbst als dieser jetzt von ihr sprach. K. lehnte an einem Sessel, den er in die N?he des M?dchens geschoben hatte. »Wenn man so krank ist wie ich«, sagte der Advokat, »mu? man Ruhe haben. Mir ist es nicht traurig.« Nach einer kleinen Pause f?gte er hinzu: »Und Leni pflegt mich gut, sie ist brav.« Den Onkel konnte das aber nicht ?berzeugen, er war sichtlich gegen die Pflegerin voreingenommen, und wenn er auch dem Kranken nichts entgegnete, so verfolgte er doch die Pflegerin mit strengen Blicken, als sie jetzt zum Bett hinging, die Kerze auf das Nachttischchen stellte, sich ?
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»Lieber Onkel«, sagte K., »die Aufregung ist so unn?tz, sie ist es auf deiner Seite und w?re es auch auf meiner. Mit Aufregung gewinnt man die Prozesse nicht, la? auch meine praktischen Erfahrungen ein wenig gelten, so wie ich deine, selbst wenn sie mich ?berraschen, immer und auch jetzt sehr achte. Da du sagst, da? auch die Familie durch den Proze? in Mitleidenschaft gezogen w?rde – was ich f?r meinen Teil durchaus nicht begreifen kann, das ist aber Nebensache –, so will dir gerne in allem folgen. Nur den Landaufenthalt halte ich selbst in deinem Sinne nicht f?r vorteilhaft, denn das w?rde Flucht und Schuldbewu?tsein bedeuten. ?berdies bin ich hier zwar mehr verfolgt, kann aber auch selbst die Sache mehr betreiben.« »Richtig«, sagte der Onkel in einem Ton, als k?men sie jetzt endlich einander n?her, »ich machte den Vorschlag nur, weil ich, wenn du hier bliebst, die Sache von deiner Gleichg?ltigkeit gef?hrdet sah und es f?r besser hielt, wenn ich statt deiner f?r dich arbeitete. Willst du es aber mit aller Kraft selbst betreiben, so ist es nat?rlich weit besser.« »Darin w?ren wir also einig«, sagte K. »Und hast du jetzt einen Vorschlag daf?r, was ich zun?chst machen soll?« »Ich mu? mir nat?rlich die Sache noch ?berlegen«, sagte der Onkel, »du mu?t bedenken, da? ich jetzt schon zwanzig Jahre fast ununterbrochen auf dem Lande bin, dabei l??t der Sp?rsinn in diesen Richtungen nach. Verschiedene wichtige Verbindungen mit Pers?nlichkeiten, die sich hier vielleicht besser auskennen, haben sich von selbst gelockert. Ich bin auf dem Land ein wenig verlassen, das wei?t du ja. Selbst merkt man es eigentlich erst bei solchen Gelegenheiten. Zum Teil kam mir deine Sache auch unerwartet, wenn ich auch merkw?rdigerweise nach Ernas Brief schon etwas Derartiges ahnte und es heute bei deinem Anblick fast mit Bestimmtheit wu?te. Aber das ist gleichg?ltig, das Wichtigste ist jetzt, keine Zeit zu verlieren.« Schon w?hrend seiner Rede hatte er, auf den Fu?spitzen stehend, einem Automobil gewinkt und zog jetzt, w?hrend er gleichzeitig dem Wagenlenker eine Adresse zurief, K. hinter sich in den Wagen. »Wir fahren jetzt zum Advokaten Huld«, sagte er, »er war mein Schulkollege. Du kennst den Namen gewi? auch? Nicht? Das ist aber merkw?rdig. Er hat doch als Verteidiger und Armenadvokat einen bedeutenden Ruf. Ich aber habe besonders zu ihm als Menschen gro?es Vertrauen.« »Mir ist alles recht, was du unternimmst«, sagte K., obwohl ihm die eilige und dringliche Art, mit der der Onkel die Angelegenheit behandelte, Unbehagen verursachte. Es war nicht sehr erfreulich, als Angeklagter zu einem Armenadvokaten zu fahren. »Ich wu?te nicht«, sagte er, »da? man in einer solchen Sache auch einen Advokaten zuziehen k?nne.« »Aber nat?rlich«, sagte der Onkel, »das ist ja selbstverst?ndlich. Warum denn nicht? Und nun erz?hle mir, damit ich ?ber die Sache genau unterrichtet bin, alles, was bisher geschehen ist.« K. begann sofort zu erz?hlen, ohne irgend etwas zu verschweigen, seine vollst?ndige Offenheit war der einzige Protest, den er sich gegen des Onkels Ansicht, der Proze? sei eine gro?e Schande, erlauben konnte. Fr?ulein B?rstners Namen erw?hnte er nur einmal und fl?chtig, aber das beeintr?chtigte nicht die Offenheit, denn Fr?ulein B?rstner stand mit dem Proze? in keiner Verbindung. W?hrend er erz?hlte, sah er aus dem Fenster und beobachtete, wie sie sich gerade jener Vorstadt n?herten, in der die Gerichtskanzleien waren, er machte den Onkel darauf aufmerksam, der aber das Zusammentreffen nicht besonders auffallend fand. Der Wagen hielt vor einem dunklen Haus. Der Onkel l?utete gleich im Parterre bei der ersten T?r; w?hrend sie warteten, fletschte er l?chelnd seine gro?en Z?hne und fl?sterte: »Acht Uhr, eine ungew?hnliche Zeit f?r Parteienbesuche. Huld nimmt es mir aber nicht ?bel.« Im Guckfenster der T?r erschienen zwei gro?e, schwarze Augen, sahen ein Weilchen die zwei G?ste an und verschwanden; die T?r ?ffnete sich aber nicht. Der Onkel und K. best?tigten einander gegenseitig die Tatsache, die zwei Augen gesehen zu haben. »Ein neues Stubenm?dchen, das sich vor Fremden f?rchtet«, sagte der Onkel und klopfte nochmals. Wieder erschienen die Augen, man konnte sie jetzt fast f?r traurig halten, vielleicht war das aber auch nur eine T?uschung, hervorgerufen durch die offene Gasflamme, die nahe ?ber den K?pfen stark zischend brannte, aber wenig Licht gab. »?ffnen Sie«, rief der Onkel und hieb mit der Faust gegen die T?r, »es sind Freunde des Herrn Advokaten!« »Der Herr Advokat ist krank«, fl?sterte es hinter ihnen. In einer T?r am andern Ende des kleinen Ganges stand ein Herr im Schlafrock und machte mit ?u?erst leiser Stimme diese Mitteilung. Der Onkel, der schon wegen des langen Wartens w?tend war, wandte sich mit einem Ruck um, rief: »Krank? Sie sagen, er ist krank?« und ging fast drohend, als sei der Herr die Krankheit, auf ihn zu. »Man hat schon ge?ffnet«, sagte der Herr, zeigte auf die T?r des Advokaten, raffte seinen Schlafrock zusammen und verschwand. Die T?r war wirklich ge?ffnet worden, ein junges M?dchen – K. erkannte die dunklen, ein wenig hervorgew?lzten Augen wieder – stand in langer, wei?er Sch?rze im Vorzimmer und hielt eine Kerze in der Hand. »N?chstens ?ffnen Sie fr?her!« sagte der Onkel statt einer Begr??ung, w?hrend das M?dchen einen kleinen Knicks machte. »Komm, Josef«, sagte er dann zu K., der sich langsam an dem M?dchen vor?berschob. »Der Herr Advokat ist krank«, sagte das M?dchen, da der Onkel, ohne sich aufzuhalten, auf eine T?r zueilte. K. staunte das M?dchen noch an, w?hrend es sich schon umgedreht hatte, um die Wohnungst?r wieder zu versperren, es hatte ein puppenf?rmiges gerundetes Gesicht, nicht nur die bleichen Wangen und das Kinn verliefen rund, auch die Schl?fen und die Stirnr?nder. »Josef!« rief der Onkel wieder, und das M?dchen fragte er: »Es ist das Herzleiden?« »Ich glaube wohl«, sagte das M?dchen, es hatte Zeit gefunden, mit der Kerze voranzugehen und die Zimmert?r zu ?ffnen. In einem Winkel des Zimmers, wohin das Kerzenlicht noch nicht drang, erhob sich im Bett ein Gesicht mit langem Bart. »Leni, wer kommt denn?« fragte der Advokat, der, durch die Kerze geblendet, die G?ste nicht erkannte. »Albert, dein alter Freund ist es«, sagte der Onkel. »Ach, Albert«, sagte der Advokat und lie? sich auf die Kissen zur?ckfallen, als bed?rfe es diesem Besuch gegen?ber keiner Verstellung. »Steht es wirklich so schlecht?« fragte der Onkel und setzte sich auf den Bettrand. »Ich glaube es nicht. Es ist ein Anfall deines Herzleidens und wird vor?bergehen wie die fr?heren.« »M?glich«, sagte der Advokat leise, »es ist aber ?rger, als es jemals gewesen ist. Ich atme schwer, schlafe gar nicht und verliere t?glich an Kraft.« »So«, sagte der Onkel und dr?ckte den Panamahut mit seiner gro?en Hand fest aufs Knie. »Das sind schlechte Nachrichten. Hast du ?brigens die richtige Pflege? Es ist auch so traurig hier, so dunkel. Es ist schon lange her, seit ich zum letztenmal hier war, damals schien es mir freundlicher. Auch dein kleines Fr?ulein hier scheint nicht sehr lustig, oder sie verstellt sich.« Das M?dchen stand noch immer mit der Kerze nahe bei der T?r; soweit ihr unbestimmter Blick erkennen lie?, sah sie eher K. an als den Onkel, selbst als dieser jetzt von ihr sprach. K. lehnte an einem Sessel, den er in die N?he des M?dchens geschoben hatte. »Wenn man so krank ist wie ich«, sagte der Advokat, »mu? man Ruhe haben. Mir ist es nicht traurig.« Nach einer kleinen Pause f?gte er hinzu: »Und Leni pflegt mich gut, sie ist brav.« Den Onkel konnte das aber nicht ?berzeugen, er war sichtlich gegen die Pflegerin voreingenommen, und wenn er auch dem Kranken nichts entgegnete, so verfolgte er doch die Pflegerin mit strengen Blicken, als sie jetzt zum Bett hinging, die Kerze auf das Nachttischchen stellte, sich ?
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