rde eine Erkl?rung seiner Anwesenheit haben wollen. Die einzig verst?ndliche und annehmbare war die, da? er Angeklagter war und das Datum des n?chsten Verh?rs erfahren wollte, gerade diese Erkl?rung aber wollte er nicht geben, besonders da sie auch nicht wahrheitsgem?? war, denn er war nur aus Neugierde gekommen oder, was als Erkl?rung noch unm?glicher war, aus dem Verlangen, festzustellen, da? das Innere dieses Gerichtswesens ebenso widerlich war wie sein ?u?eres. Und es schien ja, da? er mit dieser Annahme recht hatte, er wollte nicht weiter eindringen, er war beengt genug von dem, was er bisher gesehen hatte, er war gerade jetzt nicht in der Verfassung, einem h?heren Beamten gegen?berzutreten, wie er hinter jeder T?r auftauchen konnte, er wollte weggehen, und zwar mit dem Gerichtsdiener oder allein, wenn es sein mu?te.
Aber sein stummes Dastehen mu?te auffallend sein, und wirklich sahen ihn das M?dchen und der Gerichtsdiener derartig an, als ob in der n?chsten Minute irgendeine gro?e Verwandlung mit ihm geschehen m?sse, die sie zu beobachten nicht vers?umen wollten. Und in der T?r?ffnung stand der Mann, den K. fr?her in der Ferne bemerkt hatte, er hielt sich am Deckbalken der niedrigen T?r fest und schaukelte ein wenig auf den Fu?spitzen, wie ein ungeduldiger Zuschauer. Das M?dchen aber erkannte doch zuerst, da? das Benehmen K.s in einem leichten Unwohlsein seinen Grund hatte, sie brachte einen Sessel und fragte: »Wollen Sie sich nicht setzen?« K. setzte sich sofort und st?tzte, um noch besseren Halt zu bekommen, die Ellbogen auf die Lehnen. »Sie haben ein wenig Schwindel, nicht?« fragte sie ihn. Er hatte nun ihr Gesicht nahe vor sich, es hatte den strengen Ausdruck, wie ihn manche Frauen gerade in ihrer sch?nsten Jugend haben. »Machen Sie sich dar?ber keine Gedanken«, sagte sie, »das ist hier nichts Au?ergew?hnliches, fast jeder bekommt einen solchen Anfall, wenn er zum erstenmal herkommt. Sie sind zum erstenmal hier? Nun ja, das ist also nichts Au?ergew?hnliches. Die Sonne brennt hier auf das Dachger?st, und das hei?e Holz macht die Luft so dumpf und schwer. Der Ort ist deshalb f?r B?ror?umlichkeiten nicht sehr geeignet, so gro?e Vorteile er allerdings sonst bietet. Aber was die Luft betrifft, so ist sie an Tagen gro?en Parteienverkehrs, und das ist fast jeder Tag, kaum mehr atembar. Wenn Sie dann noch bedenken, da? hier auch vielfach W?sche zum Trocknen ausgeh?ngt wird – man kann es den Mietern nicht g?nzlich untersagen –, so werden Sie sich nicht mehr wundern, da? Ihnen ein wenig ?bel wurde. Aber man gew?hnt sich schlie?lich an die Luft sehr gut. Wenn Sie zum zweiten– oder drittenmal herkommen, werden Sie das Dr?ckende hier kaum mehr sp?ren. F?hlen Sie sich schon besser?« K. antwortete nicht, es war ihm zu peinlich, durch diese pl?tzliche Schw?che den Leuten hier ausgeliefert zu sein, ?berdies war ihm, da er jetzt die Ursachen seiner ?belkeit erfahren hatte, nicht besser, sondern noch ein wenig schlechter. Das M?dchen merkte es gleich, nahm, um K. eine Erfrischung zu bereiten, eine Hakenstange, die an der Wand lehnte, und stie? damit eine kleine Luke auf, die gerade ?ber K. angebracht war und ins Freie f?hrte. Aber es fiel so viel Ru? herein, da? das M?dchen die Luke gleich wieder zuziehen und mit ihrem Taschentuch die H?nde K.s vom Ru? reinigen mu?te, denn K. war zu m?de, um das selbst zu besorgen. Er w?re gern hier ruhig sitzengeblieben, bis er sich zum Weggehen gen?gend gekr?ftigt hatte, das mu?te aber um so fr?her geschehen, je weniger man sich um ihn k?mmern w?rde. Nun sagte aber ?berdies das M?dchen: »Hier k?nnen Sie nicht bleiben, hier st?ren wir den Verkehr –« K. fragte mit den Blicken, welchen Verkehr er denn hier st?re – »Ich werde Sie, wenn Sie wollen, ins Krankenzimmer f?hren. Helfen Sie mir, bitte«, sagte sie zu dem Mann in der T?r, der auch gleich n?her kam. Aber K. wollte nicht ins Krankenzimmer, gerade das wollte er ja vermeiden, weiter gef?hrt zu werden, je weiter er kam, desto ?rger mu?te es werden. Ich kann schon gehen«, sagte er deshalb und stand, durch das bequeme Sitzen verw?hnt, zitternd auf. Dann aber konnte er sich nicht aufrecht halten. »Es geht doch nicht«, sagte er kopfsch?ttelnd und setzte sich seufzend wieder nieder. Er erinnerte sich an den Gerichtsdiener, der ihn trotz allem leicht hinausf?hren k?nnte, aber der schien schon l?ngst weg zu sein, K. sah zwischen dem M?dchen und dem Mann, die vor ihm standen, hindurch, konnte aber den Gerichtsdiener nicht finden.
»Ich glaube«, sagte der Mann, der ?brigens elegant gekleidet war und besonders durch eine graue Weste auffiel, die in zwei langen, scharfgeschnittenen Spitzen endigte, »das Unwohlsein des Herrn geht auf die Atmosph?re hier zur?ck, es wird daher am besten und auch ihm am liebsten sein, wenn wir ihn nicht erst ins Krankenzimmer, sondern ?berhaupt aus den Kanzleien hinausf?hren.« »Das ist es«, rief K. und fuhr vor lauter Freude fast noch in die Rede des Mannes hinein, »mir wird gewi? sofort besser werden, ich bin auch gar nicht so schwach, nur ein wenig Unterst?tzung unter den Achseln brauche ich, ich werde Ihnen nicht viel M?he machen, es ist ja auch kein langer Weg, f?hren Sie mich nur zur T?r, ich setze mich dann noch ein wenig auf die Stufen und werde gleich erholt sein, ich leide n?mlich gar nicht unter solchen Anf?llen, es kommt mir selbst ?berraschend. Ich bin doch auch Beamter und an B?roluft gew?hnt, aber hier scheint es doch zu arg, Sie sagen es selbst. Wollen Sie also die Freundlichkeit haben, mich ein wenig zu f?hren, ich habe n?mlich Schwindel, und es wird mir schlecht, wenn ich allein aufstehe.« Und er hob die Schultern, um es den beiden zu erleichtern, ihm unter die Arme zu greifen.
Aber der Mann folgte der Aufforderung nicht, sondern hielt die H?nde ruhig in den Hosentaschen und lachte laut. »Sehen Sie«, sagte er zu dem M?dchen, »ich habe also doch das Richtige getroffen. Dem Herrn ist nur hier nicht wohl, nicht im allgemeinen.« Das M?dchen l?chelte auch, schlug aber dem Mann leicht mit den Fingerspitzen auf den Arm, als h?tte er sich mit K. einen zu starken Spa? erlaubt. »Aber was denken Sie denn«, sagte der Mann noch immer lachend, »ich will ja den Herrn wirklich hinausf?hren.« »Dann ist es gut«, sagte das M?dchen, indem sie ihren zierlichen Kopf f?r einen Augenblick neigte. »Messen Sie dem Lachen nicht zuviel Bedeutung zu«, sagte das M?dchen zu K., der, wieder traurig geworden, vor sich hinstarrte und keine Erkl?rung zu brauchen schien, »dieser Herr – ich darf Sie doch vorstellen?« (der Herr gab mit einer Handbewegung die Erlaubnis) – »dieser Herr also ist der Auskunftgeber. Er gibt den wartenden Parteien alle Auskunft, die sie brauchen, und da unser Gerichtswesen in der Bev?lkerung nicht sehr bekannt ist, werden viele Ausk?nfte verlangt. Er wei? auf alle Fragen eine Antwort, Sie k?nnen ihn, wenn Sie einmal Lust dazu haben, daraufhin erproben. Das ist aber nicht sein einziger Vorzug, sein zweiter Vorzug ist die elegante Kleidung. Wir, das hei?t die Beamtenschaft, meinten einmal, man m?sse den Auskunftgeber, der immerfort, und zwar als erster, mit Parteien verhandelt, des w?rdigen ersten Eindrucks halber, auch elegant anziehen. Wir anderen sind, wie Sie gleich an mir sehen k?nnen, leider sehr schlecht und altmodisch angezogen; es hat auch nicht viel Sinn, f?r die Kleidung etwas zu verwenden, da wir fast unaufh?rlich in den Kanzleien sind, wir schlafen ja auch hier. Aber, wie gesagt, f?r den Auskunftgeber hielten wir einmal sch?ne Kleidung f?r n?tig. Da sie aber von unserer Verwaltung, die in dieser Hinsicht etwas sonderbar ist, nicht erh?ltlich war, machten wir eine Sammlung – auch Parteien steuerten bei – und wir kauften ihm dieses sch?ne Kleid und noch andere. Alles w?re jetzt vorbereitet, einen guten Eindruck zu machen, aber durch sein Lachen verdirbt er es wieder und erschreckt die Leute.« »So ist es«, sagte der Herr sp?ttisch, »aber ich verstehe nicht, Fr?ulein, warum Sie dem Herrn alle unsere Intimit?ten erz?hlen oder besser, aufdr?ngen, denn er will sie ja gar nicht erfahren. Sehen Sie nur, wie er, offenbar mit seinen eigenen Angelegenheiten besch?ftigt, dasitzt.« K. hatte nicht einmal Lust, zu widersprechen, die Absicht des M?dchens mochte eine gute sein, sie war vielleicht darauf gerichtet, ihn zu zerstreuen oder ihm die M?glichkeit zu geben, sich zu sammeln, aber das Mittel war verfehlt. »Ich mu?te ihm Ihr Lachen erkl?ren«, sagte das M?dchen. »Es war ja beleidigend.« »Ich glaube, er w?rde noch ?rgere Beleidigungen verzeihen, wenn ich ihn schlie?lich hinausf?hre.« K. sagte nichts, sah nicht einmal auf, er duldete es, da? die zwei ?ber ihn wie ?ber eine Sache verhandelten, es war ihm sogar am liebsten. Aber pl?tzlich f?hlte er die Hand des Auskunftgebers an einem Arm und die Hand des M?dchens am anderen. »Also auf, Sie schwacher Mann«, sagte der Auskunftgeber. »Ich danke Ihnen beiden vielmals«, sagte K., freudig ?berrascht, erhob sich langsam und f?hrte selbst die fremden H?nde an die Stellen, an denen er die St?tze am meisten brauchte. »Es sieht so aus«, sagte das M?dchen leise in K.s Ohr, w?hrend sie sich dem Gang n?herten, »als ob mir besonders viel daran gelegen w?re, den Auskunftgeber in ein gutes Licht zu stellen, aber man mag es glauben, ich will doch die Wahrheit sagen. Er hat kein hartes Herz. Er ist nicht verpflichtet, kranke Parteien hinauszuf?hren, und tut es doch, wie Sie sehen. Vielleicht ist niemand von uns hartherzig, wir wollten vielleicht alle gern helfen, aber als Gerichtsbeamte bekommen wir leicht den Anschein, als ob wir hartherzig w?ren und niemandem helfen wollten. Ich leide geradezu darunter.« »Wollen Sie sich nicht hier ein wenig setzen?« fragte der Auskunftgeber, sie waren schon im Gang und gerade vor dem Angeklagten, den K. fr?her angesprochen hatte. K. sch?mte sich fast vor ihm, fr?her war er so aufrecht vor ihm gestanden, jetzt mu?ten ihn zwei st?tzen, seinen Hut balancierte der Auskunftgeber auf den gespreizten Fingern, die Frisur war zerst?rt, die Haare hingen ihm in die schwei?bedeckte Stirn. Aber der Angeklagte schien nichts davon zu bemerken, dem?tig stand er vor dem Auskunftgeber, der ?ber ihn hinwegsah, und suchte nur seine Anwesenheit zu entschuldigen. »Ich wei?«, sagte er, »da? die Erledigung meiner Antr?ge heute noch nicht gegeben werden kann. Ich bin aber doch gekommen, ich dachte, ich k?nnte doch hier warten, es ist Sonntag, ich habe ja Zeit und hier st?re ich nicht.« »Sie m?ssen das nicht so sehr entschuldigen«, sagte der Auskunftgeber, »Ihre Sorgsamkeit ist ja ganz lobenswert, Sie nehmen hier zwar unn?tigerweise den Platz weg, aber ich will Sie trotzdem, solange es mir nicht l?stig wird, durchaus nicht hindern, den Gang Ihrer Angelegenheit genau zu verfolgen. Wenn man Leute gesehen hat, die ihre Pflicht sch?ndlich vernachl?ssigten, lernt man es, mit Leuten, wie Sie sind, Geduld zu haben. Setzen Sie sich.« »Wie er mit den Parteien zu reden versteht«, fl?sterte das M?dchen. K. nickte, fuhr aber gleich auf, als ihn der Auskunftgeber wieder fragte: »Wollen Sie sich nicht hier niedersetzen?« »Nein«, sagte K., »ich will mich nicht ausruhen.« Er hatte das mit m?glichster Bestimmtheit gesagt, in Wirklichkeit h?tte es ihm sehr wohlgetan, sich niederzusetzen. Er war wie seekrank. Er glaubte auf einem Schiff zu sein, das sich in schwerem Seegang befand. Es war ihm, als st?rze das Wasser gegen die Holzw?nde, als komme aus der Tiefe des Ganges ein Brausen her, wie von ?berschlagendem Wasser, als schaukle der Gang in der Quere und als w?rden die wartenden Parteien zu beiden Seiten gesenkt und gehoben. Desto unbegreiflicher war die Ruhe des M?dchens und des Mannes, die ihn f?hrten. Er war ihnen ausgeliefert, lie?en sie ihn los, so mu?te er hinfallen wie ein Brett. Aus ihren kleinen Augen gingen scharfe Blicke hin und her, ihre gleichm??igen Schritte f?hlte K., ohne sie mitzumachen, denn er wurde fast von Schritt zu Schritt getragen. Endlich merkte er, da? sie zu ihm sprachen, aber er verstand sie nicht, er h?rte nur den L?rm, der alles erf?llte und durch den hindurch ein unver?nderlicher hoher Ton, wie von einer Sirene, zu klingen schien. »Lauter«, fl?sterte er mit gesenktem Kopf und sch?mte sich, denn er wu?te, da? sie laut genug, wenn auch f?r ihn unverst?ndlich, gesprochen hatten. Da kam endlich, als w?re die Wand vor ihm durchrissen, ein frischer Luftzug ihm entgegen, und er h?rte neben sich sagen: »Zuerst will er weg, dann aber kann man ihm hundertmal sagen, da? hier der Ausgang ist, und er r?hrt sich nicht.« K. merkte, da? er vor der Ausgangst?r stand, die das M?dchen ge?ffnet hatte. Ihm war, als w?ren alle seine Kr?fte mit einemmal zur?ckgekehrt, um einen Vorgeschmack der Freiheit zu gewinnen, trat er gleich auf eine Treppenstufe und verabschiedete sich von dort aus von seinen Begleitern, die sich zu ihm hinabbeugten. »Vielen Dank«, wiederholte er, dr?ckte beiden wiederholt die H?nde und lie? erst ab, als er zu sehen glaubte, da?
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Aber sein stummes Dastehen mu?te auffallend sein, und wirklich sahen ihn das M?dchen und der Gerichtsdiener derartig an, als ob in der n?chsten Minute irgendeine gro?e Verwandlung mit ihm geschehen m?sse, die sie zu beobachten nicht vers?umen wollten. Und in der T?r?ffnung stand der Mann, den K. fr?her in der Ferne bemerkt hatte, er hielt sich am Deckbalken der niedrigen T?r fest und schaukelte ein wenig auf den Fu?spitzen, wie ein ungeduldiger Zuschauer. Das M?dchen aber erkannte doch zuerst, da? das Benehmen K.s in einem leichten Unwohlsein seinen Grund hatte, sie brachte einen Sessel und fragte: »Wollen Sie sich nicht setzen?« K. setzte sich sofort und st?tzte, um noch besseren Halt zu bekommen, die Ellbogen auf die Lehnen. »Sie haben ein wenig Schwindel, nicht?« fragte sie ihn. Er hatte nun ihr Gesicht nahe vor sich, es hatte den strengen Ausdruck, wie ihn manche Frauen gerade in ihrer sch?nsten Jugend haben. »Machen Sie sich dar?ber keine Gedanken«, sagte sie, »das ist hier nichts Au?ergew?hnliches, fast jeder bekommt einen solchen Anfall, wenn er zum erstenmal herkommt. Sie sind zum erstenmal hier? Nun ja, das ist also nichts Au?ergew?hnliches. Die Sonne brennt hier auf das Dachger?st, und das hei?e Holz macht die Luft so dumpf und schwer. Der Ort ist deshalb f?r B?ror?umlichkeiten nicht sehr geeignet, so gro?e Vorteile er allerdings sonst bietet. Aber was die Luft betrifft, so ist sie an Tagen gro?en Parteienverkehrs, und das ist fast jeder Tag, kaum mehr atembar. Wenn Sie dann noch bedenken, da? hier auch vielfach W?sche zum Trocknen ausgeh?ngt wird – man kann es den Mietern nicht g?nzlich untersagen –, so werden Sie sich nicht mehr wundern, da? Ihnen ein wenig ?bel wurde. Aber man gew?hnt sich schlie?lich an die Luft sehr gut. Wenn Sie zum zweiten– oder drittenmal herkommen, werden Sie das Dr?ckende hier kaum mehr sp?ren. F?hlen Sie sich schon besser?« K. antwortete nicht, es war ihm zu peinlich, durch diese pl?tzliche Schw?che den Leuten hier ausgeliefert zu sein, ?berdies war ihm, da er jetzt die Ursachen seiner ?belkeit erfahren hatte, nicht besser, sondern noch ein wenig schlechter. Das M?dchen merkte es gleich, nahm, um K. eine Erfrischung zu bereiten, eine Hakenstange, die an der Wand lehnte, und stie? damit eine kleine Luke auf, die gerade ?ber K. angebracht war und ins Freie f?hrte. Aber es fiel so viel Ru? herein, da? das M?dchen die Luke gleich wieder zuziehen und mit ihrem Taschentuch die H?nde K.s vom Ru? reinigen mu?te, denn K. war zu m?de, um das selbst zu besorgen. Er w?re gern hier ruhig sitzengeblieben, bis er sich zum Weggehen gen?gend gekr?ftigt hatte, das mu?te aber um so fr?her geschehen, je weniger man sich um ihn k?mmern w?rde. Nun sagte aber ?berdies das M?dchen: »Hier k?nnen Sie nicht bleiben, hier st?ren wir den Verkehr –« K. fragte mit den Blicken, welchen Verkehr er denn hier st?re – »Ich werde Sie, wenn Sie wollen, ins Krankenzimmer f?hren. Helfen Sie mir, bitte«, sagte sie zu dem Mann in der T?r, der auch gleich n?her kam. Aber K. wollte nicht ins Krankenzimmer, gerade das wollte er ja vermeiden, weiter gef?hrt zu werden, je weiter er kam, desto ?rger mu?te es werden. Ich kann schon gehen«, sagte er deshalb und stand, durch das bequeme Sitzen verw?hnt, zitternd auf. Dann aber konnte er sich nicht aufrecht halten. »Es geht doch nicht«, sagte er kopfsch?ttelnd und setzte sich seufzend wieder nieder. Er erinnerte sich an den Gerichtsdiener, der ihn trotz allem leicht hinausf?hren k?nnte, aber der schien schon l?ngst weg zu sein, K. sah zwischen dem M?dchen und dem Mann, die vor ihm standen, hindurch, konnte aber den Gerichtsdiener nicht finden.
»Ich glaube«, sagte der Mann, der ?brigens elegant gekleidet war und besonders durch eine graue Weste auffiel, die in zwei langen, scharfgeschnittenen Spitzen endigte, »das Unwohlsein des Herrn geht auf die Atmosph?re hier zur?ck, es wird daher am besten und auch ihm am liebsten sein, wenn wir ihn nicht erst ins Krankenzimmer, sondern ?berhaupt aus den Kanzleien hinausf?hren.« »Das ist es«, rief K. und fuhr vor lauter Freude fast noch in die Rede des Mannes hinein, »mir wird gewi? sofort besser werden, ich bin auch gar nicht so schwach, nur ein wenig Unterst?tzung unter den Achseln brauche ich, ich werde Ihnen nicht viel M?he machen, es ist ja auch kein langer Weg, f?hren Sie mich nur zur T?r, ich setze mich dann noch ein wenig auf die Stufen und werde gleich erholt sein, ich leide n?mlich gar nicht unter solchen Anf?llen, es kommt mir selbst ?berraschend. Ich bin doch auch Beamter und an B?roluft gew?hnt, aber hier scheint es doch zu arg, Sie sagen es selbst. Wollen Sie also die Freundlichkeit haben, mich ein wenig zu f?hren, ich habe n?mlich Schwindel, und es wird mir schlecht, wenn ich allein aufstehe.« Und er hob die Schultern, um es den beiden zu erleichtern, ihm unter die Arme zu greifen.
Aber der Mann folgte der Aufforderung nicht, sondern hielt die H?nde ruhig in den Hosentaschen und lachte laut. »Sehen Sie«, sagte er zu dem M?dchen, »ich habe also doch das Richtige getroffen. Dem Herrn ist nur hier nicht wohl, nicht im allgemeinen.« Das M?dchen l?chelte auch, schlug aber dem Mann leicht mit den Fingerspitzen auf den Arm, als h?tte er sich mit K. einen zu starken Spa? erlaubt. »Aber was denken Sie denn«, sagte der Mann noch immer lachend, »ich will ja den Herrn wirklich hinausf?hren.« »Dann ist es gut«, sagte das M?dchen, indem sie ihren zierlichen Kopf f?r einen Augenblick neigte. »Messen Sie dem Lachen nicht zuviel Bedeutung zu«, sagte das M?dchen zu K., der, wieder traurig geworden, vor sich hinstarrte und keine Erkl?rung zu brauchen schien, »dieser Herr – ich darf Sie doch vorstellen?« (der Herr gab mit einer Handbewegung die Erlaubnis) – »dieser Herr also ist der Auskunftgeber. Er gibt den wartenden Parteien alle Auskunft, die sie brauchen, und da unser Gerichtswesen in der Bev?lkerung nicht sehr bekannt ist, werden viele Ausk?nfte verlangt. Er wei? auf alle Fragen eine Antwort, Sie k?nnen ihn, wenn Sie einmal Lust dazu haben, daraufhin erproben. Das ist aber nicht sein einziger Vorzug, sein zweiter Vorzug ist die elegante Kleidung. Wir, das hei?t die Beamtenschaft, meinten einmal, man m?sse den Auskunftgeber, der immerfort, und zwar als erster, mit Parteien verhandelt, des w?rdigen ersten Eindrucks halber, auch elegant anziehen. Wir anderen sind, wie Sie gleich an mir sehen k?nnen, leider sehr schlecht und altmodisch angezogen; es hat auch nicht viel Sinn, f?r die Kleidung etwas zu verwenden, da wir fast unaufh?rlich in den Kanzleien sind, wir schlafen ja auch hier. Aber, wie gesagt, f?r den Auskunftgeber hielten wir einmal sch?ne Kleidung f?r n?tig. Da sie aber von unserer Verwaltung, die in dieser Hinsicht etwas sonderbar ist, nicht erh?ltlich war, machten wir eine Sammlung – auch Parteien steuerten bei – und wir kauften ihm dieses sch?ne Kleid und noch andere. Alles w?re jetzt vorbereitet, einen guten Eindruck zu machen, aber durch sein Lachen verdirbt er es wieder und erschreckt die Leute.« »So ist es«, sagte der Herr sp?ttisch, »aber ich verstehe nicht, Fr?ulein, warum Sie dem Herrn alle unsere Intimit?ten erz?hlen oder besser, aufdr?ngen, denn er will sie ja gar nicht erfahren. Sehen Sie nur, wie er, offenbar mit seinen eigenen Angelegenheiten besch?ftigt, dasitzt.« K. hatte nicht einmal Lust, zu widersprechen, die Absicht des M?dchens mochte eine gute sein, sie war vielleicht darauf gerichtet, ihn zu zerstreuen oder ihm die M?glichkeit zu geben, sich zu sammeln, aber das Mittel war verfehlt. »Ich mu?te ihm Ihr Lachen erkl?ren«, sagte das M?dchen. »Es war ja beleidigend.« »Ich glaube, er w?rde noch ?rgere Beleidigungen verzeihen, wenn ich ihn schlie?lich hinausf?hre.« K. sagte nichts, sah nicht einmal auf, er duldete es, da? die zwei ?ber ihn wie ?ber eine Sache verhandelten, es war ihm sogar am liebsten. Aber pl?tzlich f?hlte er die Hand des Auskunftgebers an einem Arm und die Hand des M?dchens am anderen. »Also auf, Sie schwacher Mann«, sagte der Auskunftgeber. »Ich danke Ihnen beiden vielmals«, sagte K., freudig ?berrascht, erhob sich langsam und f?hrte selbst die fremden H?nde an die Stellen, an denen er die St?tze am meisten brauchte. »Es sieht so aus«, sagte das M?dchen leise in K.s Ohr, w?hrend sie sich dem Gang n?herten, »als ob mir besonders viel daran gelegen w?re, den Auskunftgeber in ein gutes Licht zu stellen, aber man mag es glauben, ich will doch die Wahrheit sagen. Er hat kein hartes Herz. Er ist nicht verpflichtet, kranke Parteien hinauszuf?hren, und tut es doch, wie Sie sehen. Vielleicht ist niemand von uns hartherzig, wir wollten vielleicht alle gern helfen, aber als Gerichtsbeamte bekommen wir leicht den Anschein, als ob wir hartherzig w?ren und niemandem helfen wollten. Ich leide geradezu darunter.« »Wollen Sie sich nicht hier ein wenig setzen?« fragte der Auskunftgeber, sie waren schon im Gang und gerade vor dem Angeklagten, den K. fr?her angesprochen hatte. K. sch?mte sich fast vor ihm, fr?her war er so aufrecht vor ihm gestanden, jetzt mu?ten ihn zwei st?tzen, seinen Hut balancierte der Auskunftgeber auf den gespreizten Fingern, die Frisur war zerst?rt, die Haare hingen ihm in die schwei?bedeckte Stirn. Aber der Angeklagte schien nichts davon zu bemerken, dem?tig stand er vor dem Auskunftgeber, der ?ber ihn hinwegsah, und suchte nur seine Anwesenheit zu entschuldigen. »Ich wei?«, sagte er, »da? die Erledigung meiner Antr?ge heute noch nicht gegeben werden kann. Ich bin aber doch gekommen, ich dachte, ich k?nnte doch hier warten, es ist Sonntag, ich habe ja Zeit und hier st?re ich nicht.« »Sie m?ssen das nicht so sehr entschuldigen«, sagte der Auskunftgeber, »Ihre Sorgsamkeit ist ja ganz lobenswert, Sie nehmen hier zwar unn?tigerweise den Platz weg, aber ich will Sie trotzdem, solange es mir nicht l?stig wird, durchaus nicht hindern, den Gang Ihrer Angelegenheit genau zu verfolgen. Wenn man Leute gesehen hat, die ihre Pflicht sch?ndlich vernachl?ssigten, lernt man es, mit Leuten, wie Sie sind, Geduld zu haben. Setzen Sie sich.« »Wie er mit den Parteien zu reden versteht«, fl?sterte das M?dchen. K. nickte, fuhr aber gleich auf, als ihn der Auskunftgeber wieder fragte: »Wollen Sie sich nicht hier niedersetzen?« »Nein«, sagte K., »ich will mich nicht ausruhen.« Er hatte das mit m?glichster Bestimmtheit gesagt, in Wirklichkeit h?tte es ihm sehr wohlgetan, sich niederzusetzen. Er war wie seekrank. Er glaubte auf einem Schiff zu sein, das sich in schwerem Seegang befand. Es war ihm, als st?rze das Wasser gegen die Holzw?nde, als komme aus der Tiefe des Ganges ein Brausen her, wie von ?berschlagendem Wasser, als schaukle der Gang in der Quere und als w?rden die wartenden Parteien zu beiden Seiten gesenkt und gehoben. Desto unbegreiflicher war die Ruhe des M?dchens und des Mannes, die ihn f?hrten. Er war ihnen ausgeliefert, lie?en sie ihn los, so mu?te er hinfallen wie ein Brett. Aus ihren kleinen Augen gingen scharfe Blicke hin und her, ihre gleichm??igen Schritte f?hlte K., ohne sie mitzumachen, denn er wurde fast von Schritt zu Schritt getragen. Endlich merkte er, da? sie zu ihm sprachen, aber er verstand sie nicht, er h?rte nur den L?rm, der alles erf?llte und durch den hindurch ein unver?nderlicher hoher Ton, wie von einer Sirene, zu klingen schien. »Lauter«, fl?sterte er mit gesenktem Kopf und sch?mte sich, denn er wu?te, da? sie laut genug, wenn auch f?r ihn unverst?ndlich, gesprochen hatten. Da kam endlich, als w?re die Wand vor ihm durchrissen, ein frischer Luftzug ihm entgegen, und er h?rte neben sich sagen: »Zuerst will er weg, dann aber kann man ihm hundertmal sagen, da? hier der Ausgang ist, und er r?hrt sich nicht.« K. merkte, da? er vor der Ausgangst?r stand, die das M?dchen ge?ffnet hatte. Ihm war, als w?ren alle seine Kr?fte mit einemmal zur?ckgekehrt, um einen Vorgeschmack der Freiheit zu gewinnen, trat er gleich auf eine Treppenstufe und verabschiedete sich von dort aus von seinen Begleitern, die sich zu ihm hinabbeugten. »Vielen Dank«, wiederholte er, dr?ckte beiden wiederholt die H?nde und lie? erst ab, als er zu sehen glaubte, da?
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